
In dreieinhalb Tagen zum Tauchschein
3. Mai 2021 | Kaş, Türkei | Lisa
Zu Land und aus luftigen Höhen haben wir die Türkei in den vergangenen Wochen schon intensiv kennenlernen dürfen. Kaş ist für uns der perfekte Ort, um uns zum einen von den Strapazen unserer Wanderung auf dem Lykischen Weg zu erholen und zum anderen, um die Unterwasserwelt zu erkunden – mit unglaublich klarem Wasser, einer großartigen Tauchschule und als Abschlusshighlight einem versenkten Frachtflugzeug.

Chillen in Kaş
Während wir uns in Kaş nach und nach die 150 Kilometer Lykischen Weges aus den Knochen schütteln und das lässige Flair dieser Kleinstadt an der Küste genießen, entsteht auch die Idee, dieses idyllische Fleckchen Erde und die Zeit, die wir aktuell haben, für einen Tauchschein zu nutzen. An den öffentlichen Stränden Halk Plajı und Büyükçakıl Plajı haben wir uns die vergangenen Tage bereits gut entspannt, die strapazierten Füße und blauen Beckenknochen gekühlt und die trockenen Kehlen ausreichend mit sprudelndem Hopfensaft benetzt (der natürlich jederzeit unauffällig unter einem T-Shirt oder im Beutel verschwindet, wenn eine Streife den Strand kontrolliert, denn Alkohol ist in der Öffentlichkeit verboten).
Doch kaum drei Tage gefaulenzt, packt uns (leider, leider, denn mein Plan war eigentlich in Kaş zu bleiben, bis ich mich langweile) der Tatendrang. Kein Wunder, hat man doch von unserer Homebase im gemütlichen und herzlich geführten Hotel Luna Kaş perfekten Blick auf den kleinen Stadthafen, wo die meisten Tauchschulen mit ihren Booten liegen.
Die Auswahl ist groß, also wo machen wir den Schein?
Die Online-Recherche gibt einen ersten Überblick, zeigt aber auch: es gibt tatsächlich zahlreiche Möglichkeiten, in Kaş die Ausbildung zum international anerkannten PADI Open Water Diver zu machen. Wir suchen uns zunächst eine Schule mit guten Bewertungen raus, gehen vorbei und müssen feststellen, dass dort momentan niemand erreichbar ist. Also ist unser zweiter Anlaufpunkt direkt der Hafen. Auf insgesamt drei Booten informieren wir uns (oder versuchen es) über das genaue Angebot, was nicht immer klappt, da teilweise nur der Kapitän an Bord ist oder der Ansprechpartner kaum Englisch spricht. Auf der Dragoman werden wir schließlich fündig und Murat informiert uns direkt über die Details: der Kurs kostet 355 Euro pro Person (inklusive Zugang zur E-Learning-Plattform von PADI, wo wir die Theorie lernen), wir können morgen, Dienstag, starten und den Kurs bis Freitag abschließen.
Bei einem Kaltgetränk im Hafen sind wir uns schnell einig, dass die Dragoman das einzige Boot ist, bei dem wir ein wirklich gutes Gefühl haben, schließlich geht es hier auch um das Thema Sicherheit. Soviel vorweggenommen: sowohl unsere eigenen Erfahrungen als auch einige erfahrene Taucher, die in den kommenden Tagen mit auf dem Boot sind, bestätigen uns diesen Eindruck: Crew und Ausrüstung sind hier auf einem extrem hohen Niveau.
Also machen wir noch am späten Nachmittag im Büro die Formulare klar und melden uns an. Auch hier ist das Team super freundlich und aufmerksam. So erhalten wir zum Beispiel noch am Abend einen Anruf von einer Mitarbeiterin des Teams, die uns auf den heute bekanntgegeben Lockdown hinweist. Uns als Touristen betrifft das zwar erst mal nicht direkt, denn wir dürfen uns weiterhin frei bewegen, unseren Kurs jedoch sehr wohl. Denn es bedeutet: wir müssen den Schein bis Donnerstagabend abschließen, da alle Türken ab Freitag der landesweit geltenden Ausgangssperre unterliegen. Sie zeigt uns offen die verschiedenen Möglichkeiten auf: vom Kurs zurücktreten (dann bliebe es kostenmäßig bei der geleisteten Anzahlung von 50 Euro für das E-Learning-Tool), über das Absolvieren des Scuba Diver Zertifikats (die Vorstufe zum Open Water Diver) bis hin zum Versuch, das Kurspensum knackig in drei statt wie vorgesehen vier Tagen durchzuziehen. Sollten wir das nicht schaffen, könnten wir immer noch auf Option 2 zurückgreifen. So gut aufgeklärt, entscheiden wir uns für Option 3.
Pauken statt auf der faulen Haut liegen
Ich gebe zu, was dann folgt, ist extrem weit von meiner Vorstellung des „Abhängen bis ich mich langweile“-Konzepts entfernt. Und das geht direkt am Montagabend los: wir müssen vor der ersten Praxis am Dienstag bereits Theroie-Kapitel 1 und 2 absolvieren. So sitzen wir bis halb 1 am Tablet und lernen die Basics über Druckverhältnisse unter Wasser, was komprimierte Luft in der Lunge anstellt, wenn man zu schnell ohne Auszuatmen auftaucht (netterweise anhand eines platzenden Luftballons erklärt), wie all das zahlreiche Gerät funktioniert und korrekt angeschlossen wird… Ein ordentliches Pensum, das jedoch jeweils anhand gut gemachter Erklärvideos vermittelt wird.
Unser Tipp: die Lerninhalte sind in mehr als zehn Sprachen verfügbar. Wer einen englischsprachigen Instructor für die Praxis hat, sollte jedoch auch den Theorieteil in Englisch absolvieren, dann ist man bereits mit dem Vokabular vertraut. Da jeder am Ende eines Kapitels einen kurzen Wissenstest absolvieren muss, haben wir uns dafür entschieden, alle Lerninhalte direkt auf Englisch zusammen zu schauen, den zweiten Kurs jedoch auf Deutsch eingestellt, so konnten wir zwischendrin möglicherweise unklare Passagen noch mal auf Deutsch nachlesen. (An manchen Stellen fanden wir die deutsche Version jedoch etwas verwirrend.) Wer den Kurs allein belegt, kann alternativ die Videos und Quizes auf Englisch belegen und den Kurs fürs bessere Verständnis noch mal auf Deutsch starten. Wichtig ist, dass am Ende alle Tests in derselben Sprache absolviert werden müssen.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein Riesenschritt für die Explorer
Am nächsten Morgen geht’s pünktlich um neun auf die Dragoman. Die Crew begrüßt uns herzlich und während unser Instructor Ozan noch etwas klärt, beginnen wir unter Anleitung von Murat, unsere Ausrüstung vorzubereiten. Sooop viele Schläuche, An- und Verschlüsse! Immerhin ein paar Handgriffe haben wir uns von gestern gemerkt. Ozan geht mit uns noch einmal die wichtigsten Punkte aus dem Kurs durch, wir pellen uns mühsam in die Neoprenanzüge und legen die Bleigurte an. Jeder von uns hat jetzt schätzungsweise 20 Kilo am Körper hängen (und zwar deutlich unergonomischer, als wir das von unseren Wanderrucksäcken gewöhnt sind). Ein letzter Buddy-Check am jeweils anderen, dann sind wir bereit für den ersten Riesenschritt unseres Lebens. Alles gut festhalten und wuuuuuschh, schon bin ich im Wasser, zum Glück sorgt die BCD-Weste für ausreichend Auftrieb, sodass wir nicht gleich wie die Steine sinken. Oz übt mit uns die Basics, manövrieren an der Oberfläche und schließlich, als wir flacheres Wasser erreichen auch das erste richtige Abtauchen. Der Grund ist sandig und auf zwei Metern Tiefe noch sonnendurchflutet, sodass wir die ersten neugierigen Kofferfische beobachten können. So cool. Die meiste Zeit unter Wasser sind wir heute damit beschäftigt, unseren Auftrieb richtig zu regulieren – denn im Gegensatz zu Oz, der wie Meister Yoda höchstselbst einfach vor uns schwebt, kämpfen wir permanent mit zu viel oder zu wenig Auftrieb, sodass wir wie Tigger (nur in Zeitlupe) zwischen Grund und Oberfläche treiben.
Am Abend heißt es wieder: lernen, lernen, lernen bis wir mit bleischweren Körpern völlig erschöpft ins Traumland sinken.
Mit Hockdruck zum Abschluss – und zum Frachtflugzeug
So geht es die nächsten beiden Tage weiter: tagsüber im Wasser üben und abends jeweils ordentliche Dosen Lernstoff in den Kopf pressen, immerhin sitzt uns der Lockdown im Nacken. Vom Ab- und wieder aufsetzen der Brille unter Wasser, über die Luftversorgung des anderen, den kontrollierten Aufstieg bis hin zur immer besseren Handhabung des Auftriebs führt Oz uns in immer tieferes Wasser – und zwar im Wortsinn. So führt uns unser letzter Tauchgang auf die für den Open Water Diver maximal erlaubte Tiefe von 18 Metern und hinab zu einem eigens für Taucher versenkten Wrack eines Frachtflugzeugs aus dem zweiten Weltkrieg. Wahnsinn, zu sehen, wie sich auf einmal aus dem blaugrauen Einerlei die Umrisse eines alten Kampfflugzeugs herausschälen. Darauf haben sich inzwischen Seeigel und Algen angesiedelt, während wir schwebend (jaahaaa, es klappt langsam!) staunen umgibt uns ein ganzer Schwarm aus kleinen schwarzen Fischen. Oz kann uns gerade noch rechtzeitig darauf aufmerksam machen, bevor dieser von dannen zieht. Wir tauchen weiter und sehen schließlich auch noch einen Feuerfisch in ganzer Pracht. Eigentlich ist das wohl gar nicht mal so gut, da diese invasive Art im Mittelmeer den hier beheimateten Fischen arg auf die Pelle rückt, aber faszinierend bleibt dieser besondere Meeresvertreter mit seiner rot-weiß-gestreiften „Mähne“ allemal.
Zurück auf dem Boot sind wir nun also ganz offiziell Taucher und erhalten wie zur Bestätigung unsere Tauchlogbücher, in die wir direkt unsere ersten vier Tauchgänge verewigen. Nice!
Alles in allem war das ein ziemlich sportliches Programm und ist in vier Tagen sicher angenehmer zu bewältigen, zumal man dann auch meist nur zwei Tauchgänge pro Tag hätte (was insbesondere so früh im Jahr bei 18 Grad Wassertemperatur für Frostbeulen wie mich die angenehmere Option gewesen wäre). Aber wir haben ja alles gut überstanden.
Darüber hinaus ist es sicher auch großartig, an den offiziellen Kurs noch ein, zwei Tage weiterer Ausfahrten und Erkundungen dranzuhängen, um so das Gelernte noch besser zu verinnerlichen und gleichzeitig die Vielzahl an Möglichkeiten kennenzulernen, die die Unterwasserwelt von Kaş bereithält.
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