
Skopje - Stadt des Neoklassizismus und der 1000 Statuen
17. Januar 2022 | Leipzig, Deutschland | Sören
Skopje, wo liegt das nochmal genau?
Genau, in Nordmazedonien, einem Land mit einer bewegten Geschichte, nicht nur in der Antike. Skopje soll unser letzter Stopp in einem Land auf dem Balkan sein, bevor wir nach Deutschland zurückkehren.
Skopje ist eine Stadt, kaum größer als Leipzig, unsere Heimatstadt. So planen wir mit einem Aufenthalt von knapp einer Woche, um uns zu entspannen und alle Sehenswürdigkeiten der Stadt und vielleicht auch des Umlands besuchen zu können. Im Nachhinein betrachtet, sind sieben Tage aber viel zu lang. Trotz des spannenden Mixes aus neoklassizistischen Bauten und Unmengen an Statuen, einem arabischen Viertel und Bauwerken aus Zeiten des Sozialismus ist die Stadt eigentlich in zwei bis drei Tagen erkundet.
Was auf den prunkvollen Plätzen mit Riesen-Alexander und seinem ebenso imposanten Papa, König Philipp II., wirklich fehlt, sind die Menschen. Alles wirkt leer, es sind fast keine Skopjer oder Touristen in den Straßen zu sehen und das liegt bestimmt nicht nur an den heißen Temperaturen. Wir verlassen trotz sengender August-Hitze unsere Unterkunft und begeben uns auf eine Expedition durch die Straßen, Gebäude und über die Plätze der Stadt.

Die ersten Eindrücke von Skopje und Umgebung
Wir haben es geschafft aus Montenegro herauszukommen, trotz unseres Ärgers mit der Touristenpolizei. Als wir spät am Abend mit dem Bus über die Grenze von Montenegro nach Albanien fahren, haben wir schon ein wenig Bammel, ob uns die Grenzbeamten überhaupt aus dem Land lassen würden. Schließlich haben wir den Oberchief der Touristenpolizei in Budva ja schon etwas verärgert und ob überhaupt jemand unsere Touristenpauschale und die angekündigte Strafe bezahlt hat, wissen wir nicht. Wir rechnen also schon damit, dass wir entweder rausgezogen werden und nicht weiterfahren können, oder dass wir schnell unsere Kreditkarte zücken müssen, um die Strafe zu zahlen und wieder in den Bus steigen zu können. Aber das Glück ist mit den Ehrlichen, also uns, die sich ja nichts haben zu Schulden kommen lassen (die ganze Story dazu lest ihr hier). Völlig ungehindert überqueren wir die Grenze nach Albanien, dann in den Kosovo und schließlich nach Nordmazedonien. Skopje erreichen wir um ca. 02:00 Uhr in der Nacht, mit etwas Verspätung.
Nach knapp zehn Stunden Busfahrt erreichen wir von Kotor aus den Busbahnhof von Skopje im Stadtteil Prolet. Was für ein geiler Name. Nicht ganz zwei Kilometer vom Busbahnhof entfernt liegt unser Apartment, die Musik Box (das Design der Wohnung ist angelehnt an Berlin und die Zeit der elektronischen Tanzmusik). Davor wartet trotz der späten Stunde und reichlich Verspätung unsererseits der Vater von Filip (unser Host), um uns zu begrüßen zu können und sich am anschließenden Morgen mit unseren Pässen zur Anmeldung auf der Polizeistation zu begeben. Die Wohnung ist echt stylisch eingerichtet, sauber und in einer ruhigen Seitenstraße, zwischen dem Stadtteil Prolet und Kisela Voda. Auch wenn hier nicht so viel los ist, ist ein Supermarkt gleich um die Ecke, ebenso wie ein Obst- und Gemüseladen, in dem wir schnell bekannt sind, da wir uns regelmäßig mit gigantischen und superleckeren Wassermelonen versorgen. Gegenüber ist ein Telekomladen für die Sim-Karte und in Laufweite befinden sich auch ein bis zwei kleine Bars sowie eine Bank und Geldautomaten, an denen wir Mazedonische Denar abheben.
Das mit den Bars ist allerdings schon ab dem zweiten Tag unserer Ankunft eher schwierig, da just an diesem Wochenende eine neue Corona-Verordnung von der Regierung beschlossen wurde, die es nur noch zumindest einmal Geimpften oder Genesenen erlaubt, in Bars, Restaurants oder auch öffentlichen Einkaufscentern, einzukehren. So ist unsere Erfahrungsreichweite doch schon etwas beschränkt, da auch die Polizei sehr präsent ist und einzelne Kontrollen durchführt.
Der erste Morgen heißt uns mit einer leichten Wolkendecke, aber schwülwarmem Wetter willkommen. Nach einem kurzen Frühstück geht es auch schon in die Stadt und wir spulen anfangs unser gewohntes Vorgehen ab. Wir schauen uns in der Nachbarschaft um, füllen unseren Kühlschrank und kaufen eine Sim-Karte, um mobil erreichbar zu sein und das Internet für alle nötigen Recherchen nutzen zu können. Während die Freundlichkeit in den westlichen Balkanstaaten schon etwas herzlicher war, ist es hier eher etwas verhalten und…leer.
Als wir durch die Straßen ins nicht ganz 1,5 Kilometer entfernte Zentrum laufen, werden wir zwar von vielen tollen und häufig imposanten Gebäuden und Plätzen überrascht, kommen uns aber schon etwas allein und verloren zwischen den Bauten vor. Klar kann es an der Mittagshitze liegen, durch die natürlich nur wieder wir uns bewegen, aber auch am Abend wurde es nur wenig voller.
So kommen wir neben dem Stadtzentrum an den Vierteln Chair, in welchem der alte Basar liegt und Karpos, voller Restaurants und Bars, vorbei. Dabei ist neben dem Basar das modernisierte Stadtzentrum äußerst repräsentativ und überraschend. Wir sehen uns auf dem Square Macedonia nicht nur einer riesigen Statue von Alexander dem Großen gegenüber, sondern auf der anderen Flussseite ebenfalls seinem Vater, König Philip II. Beide stehen sich gegenüber – allerdings scheint der Herr Papa in stiller Zwietracht auf das zu blicken, was der Sohn nun schon wieder ausgeheckt hat. Umrahmt wird das Szenario mit vielen anderen Statuen von Helden der mazedonischen (nordmazedonischen) Geschichte, modernen Gebäuden und neu erbauten neoklassizistischen Prunkbauten auf der anderen Flussseite. Vor Anker liegen dort sonderbare Schiffe, die Restaurants beherbergen. Sonderbar deshalb, weil auf dem Fluss solche Schiffe wohl niemals gefahren sind. Überthront wird das Schauspiel von einer Festung, die allerdings nur noch aus der restaurierten Festungsmauer besteht, jedoch auch imposant wirkt.
Voller Staunen begeben wir uns von der christlichen Flussseite auf die arabische, die den Basar beherbergt. Das Stadtzentrum um den Basar ist gut erhalten geblieben und verströmt gleichzeitig den Spirit vergangener Geschäftigkeit. Angeblich soll hier eines der größten Handelszentren der Antike existiert haben, mit über 2000 Geschäften auf diesem engen Raum. Jetzt beherbergt es allerdings vorrangig Geschäfte mit Nippes für Touristen. Der Basar ist etwas weiter hinten unter Wellblech und einer etwas größeren Halle versteckt.
Dafür findet man das ein oder andere Restaurant, in dem man Tavče Gravče essen kann, die mazedonische Spezialität aus überbackenen Bohnen. Weiterhin gibt es am Eingang zum alten Stadtteil auf dieser Seite des Flusses noch die berühmt-berüchtigte Straße „Jorgandziska“, an deren Seiten sich, einen kleinen Berg nach oben schlängelnd, Bars der unterschiedlichsten Art finden. Neben „Bar Kaldrma“, die angeblich mit über 100 Sorten Raki aufwartet, befindet sich am oberen Ende auch die einzige Micro-Brewery „Old Town“, welche selbst gebrautes Bier verkauft. Im Gegensatz zur Türkei befindet sich die Brauerei sogar in unmittelbarer Sicht- und Hörweite diverser Moscheen. So kann das also auch gehen.
An den nächsten Tagen machen wir uns wieder auf zum Basar, um noch ein paar Mitbringsel zu kaufen und für uns eine verzierte Kupferkanne für türkischen Kaffee zu erwerben. Klar gehen wir auch auf die Festung und schauen uns an, was davon noch übrig geblieben ist. Um es kurz zu machen: verdammt wenig. Die Außenmauern sind restauriert, aber das wars auch schon. Ok, man hat einen tollen Blick über Skopje und die umliegenden Berge, aber das wars. Die Zeit, auch wenn der Besuch keinen Eintritt kostet, kann man sich schenken und sollte lieber ein anderes Stadtviertel erkunden, oder die ein oder andere Moschee besuchen.
In der Nacht bestaunen wir schon bei unserer Ankunft ein riesiges (ja, irgendwie haben es die Nordmazedonier mit riesigen Ausführungen, wozu ich später noch komme) christliches Kreuz, welches beleuchtet auf einem der Skopje umgebenden Berge steht. Das Kreuz macht schon was her und sollte zur Jahrtausendwende eingeweiht werden, also pünktlich zum 2000. Geburtstag des Christentums. Naja, da haben sich die Bauherren aber etwas verspekuliert. Das 66 Meter hohe Millenniumskreuz ist erst 2002 fertig geworden und wird – jetzt wird es ganz bitter – demnächst von einem viel höheren Telekommunikationsturm im futuristischen Stil überschattet werden. Jaja, hier sieht man es genau, Wissenschaft und Technik überragen den Glauben.
Auf unseren Stadterkundungen kommen wir auch noch an dem alten Bahnhofsgebäude vorbei, von dem leider nur noch wenig mehr als die Front steht. Dies soll aber so sein und als Mahnmal an das schwere Erdbeben vom 26. Juli 1963 erinnern. Die Uhr, welche damals um 05:17 Uhr zum Stillstand kam, erinnert bis heute an die Katastrophe, bei welcher in nur ein paar Minuten über 75 Prozent der Einwohner obdachlos wurden. Fast 80 Prozent aller Gebäude wurden damals zerstört und nur die internationale Hilfe konnte eine humanitäre Katastrophe vermeiden. Kein Wunder also, dass relativ wenig von den alten Strukturen und Bauwerken geblieben ist.
Highlights in Skopje
Zu den „must see“-Sehenswürdigkeiten zählt auf jeden Fall der Stadtkern, egal, ob man sich auf der Seite des Basars, also der „alten“ Seite befindet, oder ob man sein Glück auf der „neuen“, christlichen Seite versucht. Die letztgenannte Seite ist gespickt mit neuen, goldbehauenen und schönen orthodoxen Kirchen. Neben einem Neubau ist auch gleichzeitig ein kostenloses Museum für Mutter Theresa entstanden. Als Kind der Stadt Skopje wird sie geehrt, aber vom ursprünglichen Elternhaus in der Nähe des zentralen Platzes ist nicht viel mehr übrig als ein Baum und eine Gedenktafel. Imposant sind aber auch die Plätze und die schiere Anzahl und großen Statuen: von Alexander dem Großen, über Mönche, die die kyrillische Sprache schufen, bis hin zu Feldherren, Dichtern und Politikern der unterschiedlichen Epochen, die nordmazedonisches Blut in sich trugen. Wer sich genauer mit verschiedenen Persönlichkeiten der Geschichte dieses kleinen Landes bekanntmachen möchte, hat gute Gelegenheit, dies auf den Brücken zu tun, die im Stadtzentrum über die Vardar führen – so gibt es eine Brücke der Dichter, Philosophen und Gelehrten, eine für Feldherren, für Politiker und so weiter. Auf einer befindet sich tatsächlich sogar ein Springbrunnen. Hier spazieren wir durch die Abendsonne, entlang der Holzschiffe, die zu Party- und Restaurantlocations umgebaut wurden, jedoch scheinbar keiner so recht weiß, was sie denn symbolisieren sollen. Langsam füllen sich auch die Plätze und Gassen, sofern man davon sprechen kann, denn es bleibt für unser Empfinden immer noch leer.
Startet man von Alexanders Seite aus, kann man sich gleich auf dessen Pferd setzen und ist mit einem Sprung bei seinem Vater Philip, auf der anderen Seite des Flusses. Wir nehmen lieber unsere Füße und laufen über die Steinbrücke in das arabische Viertel, um den Basar zu finden. Hier ist alles voller kleiner Manufakturen, insbesondere des Goldschmiedehandwerks für die Ausstattung von Braut und Bräutigam, oder den Kindern bei deren Geburt. Auch hier ist alles mehr oder weniger restauriert und von kleinen Straßen durchzogen, die autobefreit sind. Es gibt viele kleine arabische Cafés, Einkaufsstände und Antiquitätenhändler. Für einen Bummel durch die ehemaligen Handelsstände nehmen wir uns ein wenig mehr Zeit, jedoch mit dem Ziel den wirklichen Basar zu finden, der sich am Ende des „Basar“viertels befindet und wie erwartet aus einem Konvolut aus losen Ständen besteht. Hier bekommt man nahezu alles was man sucht, zu einem weit günstigeren Preis als in den gerade durchwanderten Straßen.
Ein unbedingtes Highlight gönnen wir uns an einem der nächsten Abende, eine Stadtführung durch Skopje mit Zoran Stavrevski. Zoran spricht ein sehr gut Englisch und erzählt tolle Geschichten und Fakten rund um Nordmazedonien, dessen Geschichte und natürlich die Hauptstadt selbst. So auch, wie es zu der Modernisierung der Innenstadt von Skopje gekommen ist (siehe unten). Die Tour dauert ungefähr drei Stunden, aber man erhält einen so guten Überblick mit Hintergrundinfos und tollen Geschichten, dass sich die Zeit lohnt.
Zugegebenermaßen sind wir nach der Tour aber auch platt. Außerdem empfehle ich, die Tour schon so früh wie möglich nach der Ankunft in Skopje zu buchen, da man sonst viele Orte mehrmals sieht und sich auch die Infos zu den jeweils besuchten Attraktionen wiederholen.
Von Zoran bekommen wir auch den Tipp mal in das Nationalmuseum zu gehen. Zum einen, weil es dort klimatisiert ist und man gut die Mittagsstunden verbringen kann und zum anderen, da dort die Geschichte rund um die Souveränität und Unabhängigkeit sehr bildhaft, in Form von Wachsfigurenszenen dargestellt ist. Das stimmt auch und nach dem Besuch des „Museum of the Macedonian Struggle“ sind wir um einiges schlauer. Hier haben die Kuratoren schon etwas Besonderes vollbracht. Durch die dargestellten Szenen in der Geschichte hin zur Unabhängigkeit Nordmazedoniens erhalten wir einen plastischen Eindruck und stehen manchmal sprichwörtlich mitten im Geschehen. Leider wird man von Namen und Titeln nur so erschlagen, dass man leicht den Überblick über die Zusammenhänge verliert. Ein deutscher Audioguide hätte da sicherlich einige Vorteile, um bei den Namen nicht durcheinander zu kommen. Mazedonien und eben auch Nordmazedonien haben eben eine sehr reiche Geschichte.
Ein Traum in Türkis: der Matka-Canyon
Nachdem wir die Stadt schon größtenteils erkundet haben, entschließen wir uns, mit dem Bus zu einer Sehenswürdigkeit außerhalb der Stadtgrenzen zu fahren. Ziel ist die Matka-Schlucht, ein echtes Ausflugsmekka. Los geht es vom zentralen Busbahnhof mit der Line 60, die auch an verschiedenen Stationen in der Stadt hält. Hinter einem kleinen Staudamm befindet sich der älteste künstliche See des Landes. Entlang des Flusses Treska, der den Stausee speist, befinden sich verschiedene Klöster, die man erwandern kann. Der Wanderweg auf der Westseite des Stausees zieht sich bestimmt noch zwei Kilometer an der Bergflanke entlang und spendet Schatten. Leider endet der Weg sehr abrupt und wir sehen auf der anderen Seite den Eingang zur berühmten „Vrelo Cave“. Diese Höhle bleibt uns allerdings versagt, da wir weder den Berg herunterkommen, noch den Fluss überqueren können. An der Ostseite des Flusses befinden sich noch andere interessante Gebäude, Cafés oder vielleicht auch Unterkünfte, an welchen man auch baden kann. Um dort hinzukommen scheint es ratsam, am Startpunkt beim Kloster hinter der Staumauer auf ein Touristenboot zu steigen, oder sich ein Kanu auszuleihen und selbst auf Erkundungstour zu gehen. Einen Tagesausflug ist der Matka-Canyon auf jeden Fall wert.
Nordmazedonien und die EU
Dass Nordmazedonien in die EU möchte und es bereits Beitrittsverhandlungen gab, haben wir auch schon mitbekommen. Allerdings ist es absolut „strange“, was wir als EU-Bürger so mitbekommen, wie die Verhandlungen aus hiesiger Sicht laufen und was von den Nordmazedonien verlangt wird, um in die EU zu gelangen. Dabei geht es keineswegs primär um wirtschaftliche Aspekte (in Bezug auf Nordmazedonien) oder Korruptionsvorwürfe, einen Mangel an Rechtsstaatlichkeit oder Demokratie. Vielmehr geht es um die kulturelle Integrität des Landes selbst, sowie um die Souveränität. Dumm auch, dass Albanien in einer Beitrittsrunde mit Nordmazedonien ist und solange Nordmazedonien nicht betreten kann, dieser Weg auch für Albanien versperrt bleibt, was hier wie dort desillusionierend und mit Unverständnis aufgenommen wird. Kurz gesagt, alle Schwierigkeiten haben meiner Ansicht nach mit der Lage und der Geschichte Nordmazedoniens zu tun, insbesondere mit dem Erbe um Alexander den Großen.
Allein hier gibt es schon große Spannungen. Griechenland nimmt Alexander für sich als prägende und herausragende Figur der griechischen Geschichte ein, was ja auch stimmt, denn der Geburtsort liegt im heutigen Griechenland, hat aber damals, vor dem Zuspruch von Gebieten um den 1. Weltkrieg, noch zu Mazedonien gehört. Das wurde dann irgendwann zerschlagen und zwischen Jugoslawien, Griechenland und Bulgarien aufgeteilt.
Spannend wird es nachfolgend. Angefangen hat es ja mit dem Namen des Landes. Beitrittsverhandlungen sollten nur stattfinden können, wenn Mazedonien sich in Nordmazedonien umbenennt, um Verwechslungen mit der gleichnamigen Region in Griechenland zu vermeiden – und damit auch die Frage um „den Anspruch“ auf das Erbe von Alexander dem Großen zu klären. Nach ewigem hin und her stimmte das Parlament in Skopje zu und aus Mazedonien wurde Nordmazedonien.
Anschließend war die Flagge dran. Auch hier sollte eine Veränderung erfolgen, da sonst ein Beitritt auf keinen Fall möglich wäre. Die ursprüngliche Flagge Nordmazedoniens war die Sonnenflagge von Alexander dem Großen, also rote Flagge mit dem aufgebrachten, goldenen Sonnensymbol. Einzigartig in der Innovationsgeschichte finde ich das Herangehen zur Veränderung der Flagge und damit die Beteiligung der Bevölkerung an der Schaffung von Gegenständen für eine kulturelle Identität. In Nordmazedonien wurde die Flagge nämlich in einer Art Open-Innovation-Kampagne gestaltet. Jeder Bürger durfte Vorschläge einreichen. Heraus kam eine rote Flagge mit einer vereinfachten, stilisierten Sonne, die heutige Flagge von Nordmazedonien. Check, wieder eine Hürde genommen.
Tja, aber neben Griechenland rückt nun Bulgarien auf die Bühne. Jetzt wird für die Zustimmung zum Beitritt von eben jener Seite verlangt, dass die Nordmazedonier doch eingestehen sollten, dass die gesprochene Sprache keine eigene Sprache ist, sondern auf dem Bulgarischen fußt.
WTF? Haben wir in Europa echt keine anderen Probleme und Maßstäbe, um darüber zu entscheiden wer in die EU soll und wer nicht? Der derzeitige Beschluss des Parlaments ist, dass Nordmazedonien dem nicht zustimmt und lieber nicht den Weg in die EU geht und damit wohl auch erstmal nicht Albanien. Dabei scheint die Frustrationsgrenze gegenüber dem Vorbild EU erreicht zu sein. Von beiden Ländern und ihren Bewohnern wird zwar gesagt, wie stolz sie wären in der EU zu sein und dass es ein großes Ziel wäre, aber so nicht, und auf keinen Fall zum Preis der kulturellen Identität, die sich insbesondere Nordmazedonien geschaffen hat und auf die man hier besonders stolz zu sein scheint.
Persönliche Gedanken zu Nordmazedonien und Größe
Und dass hier in Nordmazedonien eine offensichtliche Diskrepanz zwischen gewünschter historischer Bedeutsamkeit und dem derzeitigen Status des Landes in der internationalen Gemeinschaft vorliegt, ist zumindest in Skopje rund um die Innenstadt unschwer zu erkennen. Neben der Größe und der Anzahl an Statuen und Denkmälern wird man geradezu mit der Nase darauf gestoßen, was die Vertreter Mazedoniens alles erschaffen haben und wie wichtig eine jede Person ist, die ein Gedicht und Lied geschrieben oder eine Erfindung gemacht haben (*Hyperbel). Naja, es scheint jedenfalls viele wichtige Leute und Freiheitskämpfer gegeben zu haben.
Überhaupt ist die Geschichte von Nordmazedonien geprägt vom Streben nach Unabhängigkeit und einem eigenen Staat. Das Ganze wird unter dem Begriff „Die Mazedonien-Frage“ eingeordnet. Anfangs war der Balkan zersplittert zwischen dem Christentum und dem Osmanischen Reich und nach dem ersten Weltkrieg sah es auch nicht besser aus, als Mazedonien zwischen Jugoslawien, Bulgarien und Griechenland aufgeteilt wurde. Einen Staat gab es weiterhin nicht, trotz schier unüberschaubarer Unabhängigkeitskriege und -gruppierungen. Auch nach dem 2. Weltkrieg sah es nicht besser aus und erst der Zusammenbruch von Jugoslawien eröffnete die Chance auf eine Republik Mazedonien/Nordmazedonien.
So erscheint es mir wenig verwunderlich, dass Nordmazedonien jede Chance nutzt, um zu beweisen, dass der Staat eine Daseinsberechtigung aufgrund der Geschichte und des Erreichten von Mazedoniern hat. Jeder Aktion, die dies in Frage stellen könnte , egal ob beim Staatsnamen, der Flagge oder auch der Sprachherkunft wird mit verständlicher Skepsis entgegengetreten, da dies in der Wahrnehmung der Bevölkerung ein Stück weit die Legitimation einer eigenen Geschichte, Identität und Gesellschaft nimmt.
Etwas übertrieben antworten die Verantwortlichen allerdings auf diese Aktivitäten, mit einer Art „Überhöhungspsychose“. Scheinbar alles ist auf Alexander den Großen, sein Reich und seine Abstammung zugeschnitten – als DER Volksheld. Da müssen es eben auch riesige Statuen sein, die auf noch größeren Brunnen und Säulen dem Schauenden entgegengestellt werden, auf dass er sich bewusst werde, in welchem bedeutsamen Land er sich gerade befindet. Dazu gesellt sich ein, im neoklassizistischen Gewand gebautes Stadtzentrum, um der Bevölkerung den Gedanken an Integrität zu zeigen und damit er dieses gemeinschaftliche Gefühl auch dort zu finden vermag. Nun steht es ja um die Wirtschaftlichkeit und die Finanzen Nordmazedoniens auch nicht gerade wie beim Krösus und so frage ich mich, und auch die Nordmazedonier: Hätte es nicht auch eine andere Art der Symbolkraft geschafft eine gemeinsame Integrität zu entwickeln? Dann hätte man vielleicht auch noch ein paar Investitionen in die Wirtschaft und Arbeitsplätze schaffen können. Vor knapp 15 Jahren verkündete man noch die Strahlkraft der Bauten für knapp 80 Mio. Euro. 2021 ist ein Ende der Bauarbeiten immer noch nicht zu erkennen und die Investitionen belaufen sich derzeit schon auf über 800 Mio. Euro. (Anm.: dass man das alles, was dort steht, nicht für 80 Mio. Euro bekommt, war mir selbst als Laie sofort klar).
Trotzdem, es ist unbestreitbar, dass Nordmazedonien eine bewegte und reichhaltige Geschichte hat und es sicherlich auch richtig ist, dass ein eigener Staat besteht und hoffentlich auch den Weg in die EU schafft, ohne sich auf sinnlose Gründe der Abweisung einlassen zu müssen. Ein neuerlicher Besuch oder überhaupt ein Besuch von mehr als drei Tagen, lohnt sich nach meinen Erfahrungen allerdings nicht.