Zu den 25 Quellen, über den Berg und bis hinter den Regenbogen

22. März 2021 | Rabaçal, Madeira, Portugal | Lisa

Die Wanderung entlang der Levada 25 Fontes scheint, glaubt man den Aushängen der Ausflugsanbieter in Funchal, eine der schönsten Touren Madeiras zu sein, jedenfalls hat fast jede Reisefirma sie im Angebot. Und durchaus zu Recht: Die Wege sind gut in Schuss, führen Madeira-untypisch beinahe konstant auf einer Höhenlinie entlang, es gibt ein Shuttle zum Startpunkt und die teils romantisch moosbewachsene Levada schlängelt sich instagram-tauglich durch wunderschönen Lorbeerwald. Zu langweilig, dachten sich die Explorer und hängten noch ein paar Höhen- und Längenmeter dran.

Was sind eigentlich diese Levadas?

 Wir starten am Aussichtspunkt und Parkplatz von Rabaçal. Hierher waren wir bereits gestern gekommen, um entlang des Wanderwegs PR6.2 unsere ersten Levada-Erfahrungen zu sammeln. Die Levadas sind quasi die Lebensadern der Landwirtschaft im südlichen Teil der Insel. Denn während der schroffe Norden zwar reichlich Wasser abbekommt, aber wenig Raum für den Anbau von Lebensmitteln hat, kann es auf der anderen Inselseite im Sommer schon mal trocken werden. Und so durchzieht ein sicher mehrere hundert Kilometer langes Geflecht dieser Bewässerungskanäle die Berge und versorgt die südlichen Bananen- und Zuckerrohrplantagen.

Heutzutage haben die Levadas eine weitere, praktische Funktion: Sie geben Wanderern die Möglichkeit, zur Abwechslung mal beinahe höhenmeterfrei durch die madeirische Landschaft zu ziehen. Rund die Hälfte der offiziellen Wanderwege führt entlang solcher Aquädukte – in völlig unterschiedlichen Zuständen. Es gibt brusthohe Levadas, deren Mauern komplett mit Moos bewachsen sind und die wirken, als stammten sie noch aus dem 15. Jahrhundert, als mit dem Anlegen dieser Wasserläufe begonnen wurde. Da sie sich als Bewässerungssystem auf der Insel jedoch etabliert haben, finden sich immer wieder auch ganz neue, aus Beton in den Boden eingelassene Levadas, übertunnelte und sogar Brückenlevadas. Die Wartung spielt eine zentrale Rolle, denn bei starkem Regen kann es passieren, dass Stücke des daneben entlangführenden Weges einfach ins Tal rutschen. Entsprechend sinnvoll ist es, sich vor dem Start zu einer Tour über den Zustand der einzelnen Routen zu informieren. Die Seite visitmadeira.pt gibt neben der Übersicht über alle offiziellen Wanderwege immer auch den aktuellen Zustand der Wege mit an. (Hätten wir das vorher gecheckt, hätten wir uns einen Weg in die Berge gespart, denn zum Zeitpunkt unseres Besuchs war die Levada do Alecrim, PR6.2, leider gesperrt).

Unterwegs auf dem PR6

Am Tag nach dieser Enttäuschung machen wir uns also (mit dem Wissen, dass der PR6 begehbar ist) erneut auf in die Berge, parken am Aussichtspunkt von Rabaçal und laufen zur etwa zwei Kilometer entfernten Casa do Rabaçal, dem eigentlichen Startpunkt der Tour, zu dem man sich vom Parkplatz aus auch mit dem Shuttle bringen lassen kann. Aber hey, zwei mehr oder weniger? Da lassen wir uns doch nicht lumpen! Auf einem alten, gepflasterten Weg geht es von dort weiter bergab, entlang unter uralten, knorrigen, flechtenbehangenen Bäumen bis wir auf die Levada 25 Fontes treffen. Unser Weg schlängelt sich an ihr entlang. Immer wieder kommen vom Berg Wasserzuläufe oder sogar kleinere Wasserfälle, die dieser Levada wohl ihren Namen gaben.

Es sind schon einige Leute unterwegs und ausweichen ist auf den mitunter schmalen, talseitig verlaufenden Pfaden gar nicht so einfach. Hier geht’s steil runter. Immerhin würde ein Sturz vermutlich durch allerhand morsches Holz und/oder große Felsbrocken gebremst. Kleiner Trost. Hinzu kommt die Frage: Darf man denn, um auszuweichen, auf die schmalen Mauern treten oder ist das strengstens verboten, da man dann ein Stück Inselkultur förmlich mit Füßen treten (und abnutzen) würde? Es ist schließlich unsere erste Levada und wir noch völlige Neulinge. (Heute, ein paar Levadas später wissen wir: teilweise gibt es gar keinen richtigen Weg neben der Levada, da sind die Mauern der Pfad der Wahl, dementsprechend ist das Betreten wohl zumindest kein völliges Sakrileg). Immerhin ist es reichlich entspannend, begleitet vom ständigen Plätschern und Fließen Meter zu machen. Gibt die dichte Vegetation den Blick mal frei, schauen wir auf die gegenüberliegenden Hänge, die meisten zugewuchert, dazwischen entweder die Fortsetzung unserer Levada, einmal auch ein Wasserfall, dessen spritzende Tropfen einen Regenbogen in das Dickicht zaubern. Offizielles Highlight dieser Route ist offenbar ein weiterer Wasserfall, sicher an die 20 Meter hoch, an dem auch wir erstmal pausieren. (Aber ich verspreche: wir finden noch einen schöneren!)

Mal wieder auf und über den Berg – Handmann’sche Regel sei Dank

Das Problem mit den meisten Wanderwegen auf Madeira: es sind keine Roundtouren. Also am Ziel angekommen einfach umdrehen und auf gleichem Weg zurück? Nee! Dafür hab ich mindestens einen Urlaub zu viel unter der Prämisse der Handman’nschen Regel (niemals zweimal denselben Weg gehen!) verbracht. Das schafft definitiv erhöhte Orts- und manchmal auch die Erkenntnis, dass es eben doch nur den einen Weg gibt. Aber diesmal geht alles gut. Wir hatten uns die Runde mit Outdooractive bereits entsprechend geplant und verlassen so jetzt die ausgetretenen Pfade, um uns tapfer bergan zum nächsten Gipfel zu kämpfen. Es sind viele, viele Holzstufen, die uns vorbei an einigen Arbeitern (vielleicht entsteht hier gerade ein neuer, offizieller Weg?) hinauf mit in Gebiete führen, wo zunächst mannshohe Büsche stehen, die schließlich von riesigen Farnenteppichen abgelöst werden (letztere sind leider alle ziemlich braun, ziemlich tot, aber das ist sicher die Jahreszeit). Oben auf dem Pico Fernandes ou Rabaçal angekommen, würde ich jetzt gern von der großartigen Aussicht berichten. Nun ja, sagen wir einfach, dass wabernder Nebel auch sehr interessante Formen bilden kann.

Vom Privatwasserfall zum Ende des Regenbogens (oder zum Anfang?)

Nach einer kleinen Stärkung auf dem Gipfel geht es weiter zunächst ein Stück über das Plateau, dann bergab, schließlich hatte Sören mir noch zwei „Privatwasserfälle“ versprochen. Und so kommt es auch, einer davon verfügt zusätzlich sogar über einen gut zugänglichen Privatpool, der dann auch direkt bebadet wird. Wir genießen die Ruhe und Stille, hier gibt es wirklich niemanden, dieser Ort gehört gerade uns allein. Wenig später treffen wir auf die Levada do Alecrim (ja, genau die, die am Vortag gesperrt war und es sicher immer noch ist, aber eben noch nicht auf dem Abschnitt, den wir jetzt nehmen), der wir nun folgen bis wir auf einen Abzweig zur Lagoa do Vento (PR6.3) stoßen und denken – hey, Lagune, klingt nett und nur 300 Meter! Ich darf betonen, dass jeder einzelne dieser 300 Meter bergab führt und damit wenig später auch wieder in umgekehrter Richtung bezwungen werden will! Und doch ist sie es wert! Ein wunderschöner menschenleerer Wasserfall, perfekt inszeniert von der Nachmittagssonne, die ihn, das vor ihm liegende Becken und die umgebenden, grasbewachsenen Felswände in ein besonderes Licht taucht und an dem Punkt, an dem das Wasser die Oberfläche des Sees berührt, auch noch einen Regenbogen zaubert. Es ist so schnullig, dass mich auch eine Handvoll Glücksbärchis, die sich singend darübersschwingt, nicht überraschen würde. Jap, das hat sich gelohnt. Beschwingt von so vielen großartigen Eindrücken und mit vielen besonderen Bildern im Kopf, im Herzen und auf der Speicherkarte fliegen wir auch die letzten drei Kilometer beinahe mühelos zurück.

Die Tour im Überblick: Die 25 Fontes - EEV (Explorer extended Version)

Die Songs zum Gefühl

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