
Glaube und Bling Bling - Sightseeing am Bosporus
12. April 2021 | Fethiye, Türkei | Lisa
Auf den Spuren der reichen und vielseitigen Geschichte Istanbuls haben wir uns drei Glaubenshäuser und zwei Paläste angeschaut – aus verschiedenen Epochen, verschiedener Religionen, in verschiedenen Stadtteilen. Was ihnen jedoch im Kern gemein ist: Gold, Marmor und eine gewaltige Portion Liebe zum Detail.

Gegensätze in Minuten
Im Vorfeld hatte mir Sören ja schon viel von Istanbul vorgeschwärmt, nicht nur von der Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die er bei seinem ersten Besuch erlebt hatte, sondern auch von den kulturellen Schätzen, die die Metropole zu bieten hat. Entsprechend neugierig war ich nach dem ersten Orientierungstag voller neuer und bunter Eindrücke auf einige der „großen Sehenswürdigkeiten“. Schon auf dem Weg dorthin sammeln wir wieder allerhand Eindrücke: der Abstecher in die griechisch-orthodoxe Kirche, in der wir Prunk, Gold und die starren Blicke der mit silber überpanzerten Ikonen ganz allein auf uns wirken lassen können. Unseren ersten zuckersüßen und schaumigen Türk Kaveshi (türkischer Mokka) in einem Mini-Straßenlokal. Aber auch: den barfüßigen Jungen, der auf dem Fußweg einer stark belebten Zone vor einem Müllbeutel voller Lebensmittelresten sitzt, die aussehen, als seien sie bereits einmal verdaut worden. (Genau die gleiche Inszenierung sehen wir später an anderen Stellen in Istanbul und uns wird klar: das hat verdammt noch mal System!)
Petri Heil am Bosporus
Um in den Stadtteil Sultanahmet zu gelangen, überqueren wir die Galata- a.k.a. Anglerbrücke. Anglerbrücke deshalb, weil dort (zumindest zu jeder Tageszeit, zu der wir dort vorbeikommen) an die 100 Menschen auf den großen oder kleinen Fang aus den dunkelblauen Wogen hoffen. Ich bin absolut fasziniert von der Professionalität, mit der die Fischer vom Bosporus ihr Handwerk verrichten. Da gibt es eigens konzipierte Holz-Halterungen für die Ruten, Gefäße jeglicher Art für den Fang des Tages und einige stehen sogar in voller Regenmontur dort. Hinzu kommen mehrere Tee- und Süßigkeiten-Verkäufer, die wiederum versuchen, ihre Waren an den Angler oder die Anglerin zu bringen.
Hagia Sophia und Blaue Moschee
Bevor es dann an den Hardcore-Kültür-Teil geht, gibt’s noch mal einen kurzen Zwischenstopp beim professionellen Süßigkeiten-Dealer, denn mit klebrigen Köstlichkeiten aus Blätterteig, Nuss und Zuckerwasser verdauen sich die reichhaltigen Eindrücke gleich viel besser. Wir schließen uns dem Strom der Touristen an, der sich durch die Sicherheitskontrontrollen auf das Gelände mit Hagia Sophia, Blauer Moschee und weiteren Sehenswürdigkeiten zubewegt. Auf direktem Wege geht es für uns dann in die Hagia Sophia, wo zum Glück gerade kein Gebet stattfindet (wir hätten es auch einfach auf der Website nachschauen können, aber hat ja auch so geklappt). Von außen, denke ich noch während wir auf das Gebäude zugehen, wirkt sie ziemlich plump, tatsächlich noch nicht so beeindruckend wie es Sörens Berichte immer beschreiben. Aber wir werden sehen.
Jetzt heißt es: Kopftuch auf, Schühchen aus und mit offenem Mund (Maske sei Dank unerkannt) staunen. Vor etwa 1.500 Jahren als christliche Kirche errichtet, wurde die Hagia Sophia unter osmanischer Herrschaft zur Moschee umfunktioniert. Im Zuge der Trennung von Staat und Kirche verfügte der hierzulande nahezu überall verehrte Mustafa Kemal Atatürk, dass das Gebäude ab 1934 als Museum genutzt werden sollte. So kannte auch Sören das Gotteshaus: mit poliertem Marmorfußboden und einem Mosaik von Maria in der hintersten Kuppel. Seit Mitte 2020 wird die Hagia Sophia wieder als Moschee genutzt. Und so dämpft nun dicker, samtiger grüner Teppich die Schritte, das farbenfrohe Bild der Jungfrau ist von Stoffbahnen verhüllt. Der fade Beigeschmack der Politik weicht dennoch schnell der Faszination: Die 31 Meter durchmessende, von nur vier Säulen getragene Kuppel, das Schummerlicht, die Verzierungen, die Seitengänge, die filigranen Gebetszeichen, das Gold, die Größe und Weite, die verschiedenen Elemente, die hier wie selbstverständlich nebeneinander stehen. Hier drin ist nichts plump, es ist besonders, es ist einzigartig.
Dagegen wirkt die Blaue Moschee, die wir uns im Anschluss ansehen, absolut bescheiden, was vor allem an den Bauarbeiten liegt, wegen derer die gesamte Decke verhüllt ist.
Der Große Basar
Da wir uns komplett zu Fuß durch Istanbul bewegen, verschlägt es uns auf dem Heimweg (eher durch Zufall) noch auf den Großen Basar sowie auf eine sich daran anschließende, noch größere Basarstraße voller, wirklich voller Klamotten (und ich dachte am ersten Tag schon, die Shopping-Meile in Taksim sei krass), durch die angrenzende Stoffe-Straße im gleichen Stil bis wir auf dem etwas sortierteren Gewürzbarsar landen. Vielleicht liegt es an Corona, vielleicht sind meine Erwartungen an die sagenhaften Umschlagspunkte von Gewürzen, Kleidung und Schmuck auch einfach zu hoch, aber so wirklich haut mich keiner davon um. Es ist natürlich vergleichsweise leer und es fehlt diese geschäftige Betriebsamkeit, das Rufen, Waren Feilbieten und Feilschen, das einem immer in Filmen gezeigt wurde. Vielleicht ist es hier inzwischen auch einfach zu touristisch geworden, um „echte“ Waren und echtes Feeling zu bekommen. Jedenfalls glaube ich nicht, dass Istanbuler dort noch einkaufen gehen. Immerhin: draußen, wo es etwas lebhafter zugeht, bekommen wir noch ein paar eingelegte Oliven und für Sören echten Rahm – der Kleine ist im Schlemmer-Himmel.
Sultanspaläste Dolmabahçe und Topkapi
Im Vergleich zu unseren sonstigen Ausgaben in Istanbul ist ein Besuch der Sultanspaläste Dolmabahçe (100 Lira pro Person, ca. 10 Euro ohne Harem & Museum) und Topkapi (240 Lirapro Person, 24 Euro mit Audioguide) wirklich teuer. „Was soll’s“, denken wir uns, „Kültür kann kosten“ und entscheiden uns in beiden Fällen für den Besuch. Auf den Dolmabahçe Palast stoßen wir eher zufällig, als wir an der Kaipromenade von Karaköy Richtung Beşiktaş laufen. Zunächst vor allem durch den Uhrenturm (irgendwie haben sie es hier mit Uhren) aufmerksam geworden, beschließen wir – ohne zu wissen, was genau wir eigentlich besuchen – mal Eintritt zu zahlen, muss ja nett sein, wenn hier Menschen anstehen. Von außen lässt wirklich erstmal nichts darauf schließen, dass sich hier tatsächlich um den Palast der Sultane handelt, von außen sieht hier einfach alles absolut europäisch aus. Liegt, wie wir dann lernen, daran, dass dieser Gebäudekomplex erst Mitte des 19. Jahrhunderts im eklektischen Stil, also unter Verwendung verschiedener westlicher Baustile wie Barock, Rokkoko und Neoklassizismus, erbaut wurde. Von den ersten Räumen sind wir dann auch relativ enttäuscht. Nichts exotisches, sondern viel aus Sanssoucis und Co. bekannte Elemente, die Säle hochwertig eingerichtet aber schlicht. Wir hatten uns das wohl alles etwas prunkvoller vorgestellt, aber wir kommen noch ins Staunen, und wie! Stilistisch auch weiterhin westeuropäisch, verschlägt es uns spätestens bei der Kristalltreppe dann doch die Sprache. Opulent öffnet sich sich zu beiden Seiten des Saals ein Treppenaufgang, bei dem die Streben des Treppengeländers aus Kristall bestehen, riesige Kristallleuchter hängen tief und alles wird überspannt von einer rechteckigen Kuppel aus Glas, sodass sich das Licht hier tausendfach bricht und funkelt. Bäm. Das ist schon eine Hausnummer! Und dann der Regierungssaal. Einfach imposant und beeindruckend.
Viel gegensätzlicher konnten die Eindrücke am nächsten Tag kaum sein. Wir sind im Stadtteil Sultanahmet, der Istanbuler Altstadt und laufen zum Topkapi-Palast. Zum Spaziergang durch die herrschaftlichen Anlagen gönnen wir uns noch einen Audioguide, wollen ja schließlich auch was lernen bei der Sache. Die gesamte Palastanlage hat beeindruckende Ausmaße und gleicht eher einer Stadt, die in vier Bezirke (Höfe) eingeteilt ist, mit Wohn-, Studier-, Regierungs- und Privatgebäuden zwischen gepflegten Grünanlagen darauf. In verschiedenen Ausstellungen kann man sich die Waffen, Diplomatengeschenke, heilige Gegenstände, Tee-, Kaffee- und Küchenutensilien usw. aus den verschiedenen Jahrhunderten anschauen. Beim Durchschreiten dieser Räumlichkeiten kommt dann tatsächlich auch schon eher das Gefühl von Orient, Osmanen und Exotik auf, das wir im Dolmabahçe-Palast vermisst hatten.
Einige kuriose Details:
- Der Prophet Mohammed hat seine Barthaare noch zu Lebzeiten als eine Art Reliquien verteilen lassen, um den muslimischen Glauben zu stärken. Deshalb findet man unter anderem Schmuckkästchen zur Aufbewahrung von Mohammeds Barthaaren
- Das Begrüßungszimmer wurde je nach Wichtigkeit der Gäste mehr oder weniger üppig, aber immer einmalig, etwa mit gold- und silberdurchwirkten Stoffen ausgestattet. Nach einem Staatsbesuch wurden diese edlen Tücher tatsächlich recycelt, also eingeschmolzen. Dabei konnte man aus einem solchen Tuch schon mal einige Tonnen der beiden edlen Metalle zurückgewinnen.
- Bis zu 2.000 Ladies lebten im Harem, den Privatgemächern des Sultans, unter Aufsicht der Sultansmutter.
- In den Küchen wurde für über 15.000 Sultanspalastbewohner gekocht.
- Alle drei Monate kamen die Janitscharen in den Palast, die damalige Söldnerarmee. Wurde das angebotene Essen mit Genuss gegessen, war man mit dem Sold zufrieden und dieser wurde ausgezahlt. Wenn die Speisen verschmäht wurden, wusste der Sultan, dass der Sold nicht genügte und es wurden sofort Verhandlungen mit den Kommandanten geführt.
- Im Harem gab es auch einen kleinen künstlichen Teich, auf dem „sehr kleine Menschen auf kleinen Booten zur Belustigung des Sultans herumfuhren und lustige Gesten machten“
Besonders beeindruckt haben uns die hellen Baderäume, ganz in weiß mit schlichten Goldverzierungen und eingekoppeltem Tageslicht über kleine, in die Kuppeln eingelassene Glasscheiben.
Pünktlich zur Schließzeit um fünf geht es für uns mit allerhand Eindrücken zum Ausgang. Ja, wir haben uns kurz geärgert, dass eine Vielzahl von Gebäuden gerade wegen Um- und Restaurierungsarbeiten gesperrt sind. Aber seien wir ehrlich: hätten wir mehr aufnehmen können? Ich denke nicht. Und so schlendern wir im Sonnenuntergang durch Sultanahmet auf der Suche nach etwas gutem zu speisen.