
Farmlife as a Volunteer – Das ist doch alles Käse (Teil 2/2)
11. Januar 2022 | Leipzig, Deutschland | Sören
Mitten in unserem Sabbatical überkommt es mich schon zum zweiten Mal. Reisen, neues zu erleben, durch die Natur zu streifen und neue Städte sowie Menschen kennenzulernen sind gut und schön, aber Söri braucht eine Aufgabe. Über die Plattform workaway.info finden wir eine Käsefarm in Montenegro, bei der es nicht nur um das Käsemachen geht, sondern wir uns ebenso um die Rohstoffe, also Kühe, Ziegen und Milch kümmern (erster Teil des Volunteering Abenteuers), sondern ebenfalls ein ambitioniertes Bauprojekt angehen. Noch wissen wir nicht wie schwierig es ist dafür die Rohstoffe zu ergattern, aber der Trend Upcycling wird zur einzigen Alternative zu einer Nichtfertigstellung.
Entstehen wird eine Villa für Timir, meinen Lieblingshirtenhund, und seinem Trupp. Eines der wohl schönsten Gebäude auf den montenegrinischen Farmen. Wir stellen uns der Baustoffbeschaffung auf Feldern, Abriss und „verlassenen Häusern“, dem nicht vorhandenen Arbeitsschutz mit Nägeln in unseren Schuhen und Verbrennungen an unseren Händen von sonnenheißen Steinen. Am Ende steht es, ein Meisterwerk, welches in das Spiel Farmerama mit aufgenommen werden sollte.
Wir Explorer sind stolz auf das Geschaffene, auch wenn wir auf ein positives Feedback unserer Hosts vergeblich warten.

Erwartung und Enttäuschung
Wie die Wohnwagen selbst, haben auch die Betten ihre besten Tage hinter sich. Etwas besser wird es nur, als wir unsere Isomatten noch oben drauf legen. Nach unserer ersten eigenständigen Ziegenrunde begrüßt Olga Lisa in der Küche mit dem schönen Satz: „Weil niemand gestern die Spülmaschine angeschaltet hat, haben wir jetzt kein sauberes Geschirr.“ WTF. Anschließend bekommen wir ein weiteres Ritual mit. Jeden Morgen kommt ein Mann mit einer rosa Tüte und deponiert, wie bei einem Drogendeal, ein Weißbrot im SUV von Olga. Das Brot muss dann zum Frühstück geholt werden und in NICHT!!! zu dicke Scheiben geschnitten werden. Warum? Hier die Erklärung: „Unsere Großeltern haben noch die Belagerung von Leningrad mitgemacht, da hatte man nicht so viel und da müssen die Scheiben eben etwas dünner geschnitten werden.“ Als Ingenieur fragt man sich natürlich, was denn die Dicke der Scheiben mit der verzehrten Masse zu tun hat, wenn am Ende ja doch das ganze Brot gegessen wurde. Aber ok. Wir decken gemeinsam den Tisch, holen alles aus dem Kühlschrank und bereiten unseren türkischen Kaffee zu, den wir noch dabei haben. Vor dem Frühstück bekommt Andrej noch die Koppe (Knust, Kante, Brotendstück), da er diese besonders gern mag. Die nächsten Tage achte ich darauf und bekomme dafür immer ein Lächeln. Englisch spricht er leider fast gar nicht.
Für etwas Verwunderung sorgt der Umstand, übrigens auch in den folgenden Tagen, dass es beim Essen fast keine „eigenen“ Produkte gibt. Wir sind doch hier auf einer „Milch- und Käsefarm“ – homemade Käse, Joghurt oder frische Milch vermissen wir jedoch die meiste Zeit. Stattdessen gibt es den guten, viereckigen Supermarktkäse. Die Verwirrung steigt noch, als uns Olga erzählt, dass hier alle Subsistenzwirtschaft betreiben und es viel einfacher und auch gesünder ist, die eigenen Produkte zu tauschen oder zu verzehren. Aber vielleicht ist es auch gerade nicht Saison, sodass es eher Eier aus dem Supermarkt gibt (obwohl viele Hühner da sind), den schon benannten Supermarktkäse, Wurst und Fleisch ebenso aus dem Supermarkt… Aber, so unsere bescheidene Vermutung, vielleicht sind die Eigenprodukte für Volunteers und die Familie zu wertvoll.
Es ist unser erster Tag und dem Frühstück gibt es erstmal nicht zu tun. Entweder zieht sich Olga nach Fort Knox (FK) zurück und macht Käse, die Kinder gehen nach oben und schauen Fern oder machen sonst was und auch von Andrej ist nicht viel zu sehen. So sitzen wir am Tisch. Es wird wärmer uns wärmer, gießen die Blumen, räumen etwas auf, trinken Wasser und spielen den ersten Tag ein paar Runden Innovation. Ab und zu kommen ein paar verwunderte Kunden und fragen uns, ob man denn hier Käse kaufen kann. Nachdem diese von der kläffenden Hundemeute vor dem Haus zum Stehen gebracht wurden, begeben wir uns auf die Suche nach jemanden aus der Familie, der den Käse verkaufen kann, was eigentlich nur Olga ist, die auch die Kunden in den Käsereiferaum begleitet, also der Sicherheitstresor in FK.
So gleitet unser erster Tag etwas monoton dahin und ist mit vielen Diskussionen über den weiteren Verlauf unseres Aufenthalts gespickt. An den Strand gehen können wir nicht, da wir vier Kilometer laufen müssten und ja um 17:30 Uhr schon die Ziegen rausbringen sollen. Eine richtige Aufgabe gibt es nicht. Käse dürfen wir noch nicht mitmachen…Soll jetzt jeder Tag so laufen? Fühlen wir uns hier eigentlich wohl und warum fühlen wir uns so isoliert, als wären wir nicht erwünscht? Warum gibt es hier eigentlich keine ordentliche Einweisung, oder Aufgaben, die man vorher bespricht? Sich wie fremde zu fühlen in einer neuen Umgebung ist okay, aber wir fühlen uns wie unerwünschte Fremde. Für Hosts, die das schon seit ein paar Jahren machen, ist das alles ziemlich unprofessionell. Irgendwas stimmt hier doch nicht!
Wir beschließen am Abend mit Olga zu sprechen und Aufgaben für den nächsten Tag abzusprechen. Nachdem wir die Ziegen rausgebracht und die Kühe gemolken haben, gibt es Abendessen. Wieder sitzen alle fast schweigend um den Tisch, wie auch in den nächsten Tagen. Gespräche gibt es eigentlich nur mit Ivan und Olga, wenn es um ihren Käse geht. Wir sprechen mit Olga und Andrej, machen Vorschläge und fragen, was wir denn beim Käsemachen helfen könnten. Olga verspricht uns, die Aufgaben am kommenden Tag besser zu organisieren. So sitzen wir nach dem Abräumen wieder allein am Tisch und diskutieren fassungslos vor uns hin.
Beide sitzen wir am Abend vor unserem Wohnwagen und reden darüber, wie wir uns entscheiden wollen, bleiben oder schon am nächsten Tag weder fahren. Wir fühlen uns wirklich als lästige Gäste, die mithelfen, aber eigentlich nicht willkommen sind.
Wir bauen ein Haus
Nach unserer morgendlichen Routine (Erstversorgung der Tiere, Herausführen der Ziegen (leider wieder nicht verlustfrei und daher mit späterem Wiedereinfangen der störrischen Viehcher verbunden) und Melken der Kühe, was erstaunlicherweise immer besser funktioniert) gibt es Frühstück. Diesmal erleben wir aber gleich drei Überraschungen. Kann man sich gar nicht vorstellen, ist aber so. Als erstes sitzt heute Ivans Schwester mit am Tisch, nachdem sie uns schon beim Melken geholfen hat. Außerdem gibt es heute für sie und mich frische Milch, die wir soeben von den Kühen gemolken haben. Da verstehen wir uns doch schonmal. Außerdem hat Olga eigenen Joghurt gemacht. Der sieht zwar erstaunlich braun aus, kommt aber nach ihrer Aussage davon, dass er irgendwie mehrfach erhitzt wurde. Lecker und nett. Heute sind alle etwas gesprächiger und das Frühstück mit der selbstgemachten Marmelade schmeckt erstaunlich gut. Da liegt doch was in der Luft?
Wir fragen Olga und Andrej, was wir denn nun auf der Farm machen sollen, denn eine Routine haben wir für uns ja schon entwickelt. Auf unsere Frage, ob wir denn heute mit Käse machen werden, kommt zwar keine Antwort, das will Olga wohl wieder allein machen, obwohl wir doch extra deswegen hergekommen sind, die Mysterien des Käsemachens ergründen und am besten zu Hause versuchen wollen, die Kenntnisse auch anzuwenden. Stattdessen fragen uns die beiden, ob wir nicht im hinteren Abschnitt des Grundstücks die Bretter und den Zaun sowie das Rohgerüst eines Hauses gesehen haben. Klar haben wir das. Das haben wohl andere Volunteers angefangen und nicht fertig bekommen. Also fragen sie, ob wir das Haus nicht für die Schweine und Enten sowie Hühner fertigstellen könnten. Innerlich habe ich ja schon gestrahlt. Endlich eine Aufgabe, und was für eine! Das wird eine Villa für die Tiere, ein Prunkbau der… der Zweitverwertungsarchitektur.
Das nämlich realisiere ich, als Lisa und ich den Rohbau, „Baumaterial“ und Werkzeuge in Augenschein nehmen. In Deutschland hätte ich glaube ich gar nicht damit angefangen, aber hier habe ich mich an meine Kindheit und tiefste DDR-Mangelwirtschaft erinnert gefühlt. Außerdem war es eine Herausforderung und besser als den ganzen Tag auf der Terrasse zu sitzen. Lisa und ich besprechen erstmal das wichtigste und machen eine kurze Inventur, die wir anschließend mit Andrej abgleichen. Zusammengefasst die wichtigsten Punkte:
- Das Gebäude soll „zweigeschossig“ sein. Fenster, Holzgerüst und Zwischenboden sind schon aufgestellt. Immerhin sind die Trägerbalken in solide Fundamente gegossen.
- Es gibt kein neues Holz für die Konstruktion, vielmehr gilt es, das vorhandene, morsche, mindestens schon einmal gebrauchte und gut von den Kühen und Ziegen zugekackte Holz zu verwenden.
- Es gibt eine Handvoll neuer Nägel. Alle anderen Nägel, Scharniere etc. werden wir aus dem „Müll“-Holzausgangsberg herausziehen und klopfen müssen.
- Es gibt schon benutzte Ziegel, die wir für das Dach nutzen können. Ob die Anzahl der Ziegel und der Schindeln reicht, wissen wir noch nicht.
- Dachlatten sind zu finden und wenn wir Latten haben, zusammenzuschustern sowie so gerade wie möglich zu verbauen.
- Das Holz reicht auf keinen Fall für die Dachlatten und die Verkleidung der Wände, soviel wird schnell klar, auch wenn man die Latten nutzt, die schon beim Anfassen fast auseinanderfallen.
- Wir entscheiden uns dafür, Steinmauern vom Boden auf knapp 60 Zentimeter zu ziehen, da wir kein Holz haben, eine gewisse Stabilität zu erreichen und das Ganze auch mal Ausspülfest zu machen. Hierzu müssen wir uns alle Steine mit Eimern und einer Schubkarre von den umliegenden Feldern und Steinabrutschen zusammensuchen und zum Haus bringen.
- Zement gibt es nicht, jedenfalls nicht offiziell. Einzig verfügbar ist ein halber Sack, worüber ich nicht mehr lachen kann. Aber es gibt ja an der Straße noch ein Haus, welches nicht fertig gebaut wurde und da liegen nach Angabe von Andrej noch zerrissene, alte Säcke. Stimmt, mit der Schaufel bugsiere ich den Zement, der noch nicht zu Stein geworden ist, in einen Futtersack und „zapzerrappe“ den Zement von einem Haus in das Andere.
- Werkzeug ist vorhanden, aber alles in Handbetrieb. Verletzen will ich mich damit aber auch nicht, da alles so rostig ist, dass beim Sägen etc. schon das Holz anfängt zu rauchen.
Nach einem kurzen Überschlag und den ersten Bauzeichnungen auf ein paar Fetzen Papier steht unser Plan, den wir mit Andrej abstimmen. Das ist übrigens das einzige Mal, dass jemand von der Familie überhaupt bei uns war, um sich den Fortschritt, die Baustelle, oder uns anzusehen. Also, Moment mal – wir bauen da tagelang in der Hitze an einem Haus für ihre Tiere und keiner hält es für nötig mal bei uns vorbeizuschauen, zu fragen ob alles ok ist? Ich meine, ich erwarte ja nicht, dass uns eine liebe Mutti selbstgemachte Limonade (oder gar ein Bierle) vorbeibringt, aber ist ein grundlegendes Interesse schon zu viel verlangt…? Egal, wir fangen einfach an, die ersten Schritte zum besten Bauwerk zu gehen, welches jemals mit solchen Hilfsmitteln das Licht der Welt erblickt hat.
An den nächsten Tagen setzen wir Stück für Stück unser Vorhaben um. Während Lisa viele Sachen zum ersten Mal mit Bravour meistert, suche ich fleißig Steine zusammen, die in der Sonne oftmals so heiß sind, dass Lisa sich am Ende des Mauerprozesses tatsächlich Brandflecken an den Fingern zuzieht. Aber die Mauer aus Natursteinbrocken wird höher und höher. In der Zwischenzeit entnageln wir die Bretter, befestigen die Dachlatten und verschalen das Obergeschoss. So langsam entsteht wirklich eine kleine Villa, die auch schon von Timir fleißig als Schattenspender in Beschlag genommen wird. Am Ende der fünftägigen Bauzeit steht das Gebäude schließlich. Fenster und Türen sind eingebaut, eine Hühnertreppe ist installiert und diverse Klappen für die Reinigung und die Entnahme von Eiern sind vorhanden. Nun gilt es noch das Dach zu decken und die Abschlussschindeln aufzubringen. Wir stehen mit stolzer Brust vor unserem Bauwerk, das wir unter so widrigen Bedingungen aufgebaut haben. Da darf eine kleine persönliche Note natürlich nicht fehlen, eine Stelle, in die Namen der Erbauer verewigt sind. Ein Besuch unserer Gastfamilie steht zwar bis zu diesem Zeitpunkt immer noch aus, aber vielleicht ist Timir und die ein oder andere Kuh, die neugierig schaut und immer wieder in unseren Bausachen nach Essbarem sucht, ein Botschafter. Für uns steht schon seit längerem fest, dass wir das Bauprojekt zu Ende bringen und dann, wenn am Sonntag die neuen Volunteers kommen, wir am nächsten Tag (und damit eine Woche früher als geplant) abreisen werden. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, wenigstens den beiden Französinnen einen warmen Empfang zu bereiten und unsere Erfahrungen weiterzugeben.
Volunteering ist nicht nur Arbeit
Während bei unserem Volunteer-Job eine gewisse Distanz zu Olga und Andrej da ist, wächst die Nähe zu den Vanja und Lisa. Diese sind ja auch mehr oder weniger auf sich allein gestellt und in das Farmleben eingebunden. Dabei liegt die Farm so abgelegen, dass in der dreimonatigen Ferienzeit eigentlich kein Kontakt mit Freunden aus den Internaten, in welchen sie den Rest des Jahres leben, zustande kommt. So bringt uns Ivan auf der ein oder anderen Ziegenhütetour ein Kartenspiel namens Fish bei. Er ist auch erstaunlich gut darin und mag es gar nicht, zu verlieren (könnte natürlich auch einfach am Alter liegen). Einen echt guten Draht zu der bis dahin sehr schüchternen Lisa erhalten wir bei einem abendlichen Ausflug mit der Familie nach Lustica Bay. Genau, das ist die Luxushotelsiedlung, die wir bereits bei der Anfahrt bestaunen konnten.
Da an diesem Abend Farmers Market ist und Olga dort ihren Käse verkaufen will, fahren wir mit der ganzen Familie im Auto bis an die Marina. Dort steigen wir aus, gehen mit der Familie, die sich für dieses Event echt herausgeputzt hat, über eben jenen Markt, bestehend aus ganzen drei Ständen, wovon einer eben mit jenen Käseprodukten bestückt ist, die Olga an die sichtbar gut betuchten Besucher zu bringen versucht. Wir haben den ganzen Abend Zeit und genießen das Schlendern auf der Hafenmauer sowie den Trubel an der Promenade, die voll mit Menschen und Geschäften ist. Dazwischen schaffen wir es, mit Lisa länger zu reden und fragen wie es ihr denn geht, was sie für Träume hat und wie denn ihr Alltag in der Schule aussieht. Irgendwie taut sie während der Gespräche auf und wir bekommen eine ganz andere Teenagerin zu sehen, aufgeweckt, voller Träume und fröhlich. Wenn auch der Farmers Market nicht das gelbe vom Ei ist, ganz Lustica Bay scheint aus dem Häuschen zu sein. Es gibt Akrobaten, Animateure, fantasiehaft bekleidete Riesen auf Stelzen, Feuershows und was der entertainmentverwohnte Gast sonst noch wünscht. Eine stündliche Lasershow sowie das Feuerwerk am Ende des Abends runden das Spektakel ab und ich muss zugeben, ich bin davon auch ein wenig fasziniert und in den Bann gezogen. Jaja, da muss man eben zur Hautevolee gehören, oder eben auf einer Farm arbeiten, um das geboten zu bekommen.
An den anstrengenden Nachmittagen wollen wir uns aber auch erfrischen gehen und besuchen zwei Strände an der Ostküste der Halbinsel, auch um unsere touristische Registrierung vorzunehmen (was nicht geklappt hat und uns später noch Probleme mit der Tourismuspolizei einbringen wird). Unterwegs treffen wir ein rumänisches Paar, das uns nach Mirišta mitnimmt und die wir einen Tag später am Žanjic Beach wiedertreffen, als sie mit dem Kanu von der Blue Cave wiederkommen. Die Höhle ist übrigens nur per Boot zu erreichen, auch wenn es auf den Karten so aussieht, dass man diese mit dem Auto oder zu Fuß erreichen könnte. Das Baden, die Konversation und das Entspannen tun gut, aber wir müssen immer eben immer recht zeitig den Rückweg per pedes in Angriff nehmen, um pünktlich bei den Ziegen zu sein und anschließend die Kühe melken zu können.
Abschied und Fazit
Am Montag, also eine Woche später, nehmen wir nach dem Frühstück Abschied. Wir begleiten die neuen Volunteers nochmals bei den Arbeiten, auch wenn wir das mit den Ziegen und dem Füttern allein übernehmen, das beide scheinbar verschlafen haben. Ivan und Lisa sind echt traurig, dass wir schon am Montag abreisen, aber für uns ist eine Verlängerung keine Option. So richtig sind wir mit der Familie nicht warm geworden. Wer uns aus dem Leben kennt, weiß, dass wir echt unkompliziert sind. Zum Abschied räumen wir noch unseren Wohnwagen auf, verabschieden uns von den Tieren und anschließend von unseren Hosts, die vielleicht auch froh sind, dass wir aufbrechen. Andrej ist der einzige, der zu diesem Zeitpunkt, bei einem väterlichen Händeschlag sagt: „Thanks for the house. It’s really good.“ Die Familie fährt heute nach Podgorica, um Vanya auf seiner neuen Schule anzumelden. Eine höfliche Frage, ob man uns denn mit dem Auto bis in den nächsten Ort mitnehmen könne, kam gar nicht auf. Da haben wir uns wohl unsere Erwartungen zu hochgesteckt. Nun ja, auf eine Enttäuschung mehr kommt es nun auch nicht mehr an. Also verlassen wir den Hof mit unseren Rücksäcken und per pedes, um den Rückweg nach Budva in Angriff zu nehmen – neun Kilometer wandern, dann mit dem Bus nach Tivat und von dort nach Budva in unser AirBnB mit warmer Dusche und einen Tagesablauf den wir bestimmen können, einem Raum, in dem wir eben nicht nur tolerierte Gäste sind. Unser einziger Begleiter auf dem Rückweg ist der „Zeckenhund“, der vor ein paar Tagen Zuflucht auf der Farm gefunden hat. Zeckenhund deshalb, da er echt ganze Kolonien von Zecken an den Ohren und im Gesicht hatte und die letzten Tage wie ein Irrer die Ziegenherde vor sich hertrieb, auseinandertrieb und uns damit das Ziegenhirteleben echt schwer gemacht hat.
Rückblickend möchten wir festhalten, dass ein Volunteering-Job viele neue Erfahrungen bereithält. Wir haben viel gelernt, von der Versorgung der Tiere, über das Melken der Kühe und dem Bau eines Hauses aus höchst zweifelhaften Materialien. Käse machen, also ein Grund unserer Wahl für genau diese Gastfamilie und den Job, haben wir allerdings nicht gelernt. Wir haben uns nur einmal in Fort Knox „geschlichen“, um in den Käseraum zu blicken, als wir Kunden dort hinbrachten, oder eben die Milch abstellten. Zu dem Zustand der ganzen Manufaktur könnten wir auch noch ein paar Artikel schreiben, verzichten an dieser Stelle aber lieber darauf.
Wir haben uns echt auf den Aufenthalt bei Olga und ihrer Familie gefreut, wurden aber was das Zwischenmenschliche und der Organisation angeht, herb enttäuscht. Irgendwie kamen wir uns nur geduldet vor, fast wie ein Blinddarm, der eben da ist, aber eigentlich nicht gebraucht wird. Das verwundert uns auch noch bis heute, denn die Bewertungen auf dem Portal sind echt gut. Es gibt nur eine neutrale Bewertung, die etwas mehr Einblick in das gibt, wie wir es erlebt haben. Allerdings soll es auch schon vorgekommen sein, dass Volunteers nach ein bis zwei Tagen wieder abgereist sind, wie uns die Kinder erzählt haben.
Aus den Erzählungen unserer Freunde kann ein solcher Volunteer-Aufenthalt aber auch ganz anders sein. Diese waren bei einem australischen Paar, welche ein altes Haus ausbauen. Sie haben sich mit einem anderen Volunteer-Paar echt wohlgefühlt, herzlich und freundschaftlich. Der Tag war organisiert und es gab sogar eine Beer-Hour. Ok, das ist auf einer Farm mit dem Tagesablauf von früh bis spät schwierig, aber es geht eben auch anders.
Wenn wir nochmal bei jemandem volunteeren, was werden wir anders machen? Wir würden wieder recherchieren und die Bewertungen studieren. Wir würden ein telefonisches Erstgespräch führen und mit den Hosts die Hauptaufgaben im Vorfeld definieren.
Vermutlich schadet es auch nicht, in Erfahrung zu bringen, ob weitere Freiwillige da sind, mit denen man sich engagieren kann und dem Ganzen damit etwas mehr Dynamik zu verleihen und „ausweichen“ zu können, wenn die Chemie mit den Hosts nicht so recht passt.