
Der Lykische Weg - Von Fethiye bis Kas in 150 Kilometern (2)
03. Mai 2021 | Kas, Türkei | Sören
Nach den ersten Etappen entlang des Wanderpfades durch Lykien offenbaren sich im Folgenden komplett neue Abschnitte und Eindrücke. Während der erste Teil zumeist durch menschenleere Landstriche verläuft, bekommen es die Explorer in den folgenden Abschnitten mit der geballten Zivilisation, wilden Hundehorden, Wildschweinjägern und Hirtenhunden zu tun.
Nach neun Tagen erreichen wir schlussendlich unsere Zwischenstation Kas, in der wir uns über die einfachsten Dinge freuen und den ersten Tag als Genießertag ausrufen – Duschen, Wäsche waschen und frische Sachen anziehen, eine Matratze, Wasser, das aus dem Hahn kommt und einfach getrunken werden kann, bis man sitt ist.
Weitere Erfahrungen und Tipps sind im ersten Teil des Wanderabenteuers „Der Lykische Weg – Von Fethiye bis Kas in 150 Kilometern (1)“ nachzulesen. Weitere Erfahrungen und Tipps sind in Lisas Tipps zusammengefasst.

Etappe 5 – Die Durchquerung des fruchtbaren Tomatentals
Länge: 27 Kilometer
Start: Patara Beach
Ende: Mehmets Baugrundstück
Dauer: ca. 11 Stunden
Der Weg nach Xanthos, der alten lykischen oder auch griechischen Stadt, das hört sich doch quasi schon nach einer Rückversetzung in alte, heldenhafte Zeiten an. Xanthos heißt nun aber Kinik und ist der einzige Übergang über den das Tal durchquerenden Fluß Xanthos. Anstatt dem Lykischen Weg durch die Zivilisation zu folgen, hätte man auch am Strand entlang wandern können und anschließend dem Flusslauf nach Norden bis nach Kinik folgend, den Fluß überqueren können. Unten gibt es auch noch eine Zeltmöglichkeit am Zipfel vom ersten Abschnitt von Patara Beach. Dies hätte aber einen enormen Umweg bedeutet, der sicher nicht ins Gewicht gefallen wäre, wenn, ja wenn es sich denn um eine schöne und beeindruckende Landschaft gehandelt hätte. Als Landwirt und Tomatenbauer wäre ich bestimmt begeistert. So sind aber Lisa und ich der einhelligen Meinung, dass uns die Straßen und sicher tausenden von Gewächshäuser, die sich dicht an dicht durch das knapp 30 Kilometer durchmessende Tal reihen, nicht unseren ästhetischen Ansprüchen entsprechen.
Also entscheiden wir uns für den „kürzesten“ Weg durch die Nutzzone, da wir ja nach knapp 30 Kilometern auch einen Zeltplatz finden wollen. Im stark besiedelten Tomatental sieht es da eher schlecht aus.
Der Tag beginnt echt gut. Wir haben tolles Wetter und bekommen von unserer Campingverwaltungsfrau frische Mispeln geschenkt. Die Gabenserie hört auch nicht auf. Das zweite Geschenk erhalten wir von einem Tomatenbauern – richtig ein Kilogramm frisch geerntete Tomaten. Aller guten Dinge sind drei (oder sehen wir so bedürftig aus?), und so bekommen wir noch einen Apfel von einem Obstladenbesitzer in die Hand gedrückt. Ok, kann auch sein, das es an Ramadan liegt und alle was Gutes tun wollen. Ist ja aber eigentlich auch egal, denn was zählt: wir haben uns extrem gefreut.
Da die Etappe nur wenig erwähnenswert erscheint, mache ich es kurz. Die Empfehlung von uns lautet jedenfalls: Nehmt Euch ein Taxi oder fahrt mit einem der öffentlichen Minibusse durch das Tal. Die Busse halten übrigens an einer Haltestelle nahe vom Patara Green Camping.
Auch in Xanthos/Kinik gibt es eigentlich nicht viel zu erleben. Es gibt ein paar Geschäfte, natürlich Tomatenfarmen, Düngemittelhändler und Tomatenpflanzenverkäufer, aber auch die Ruinen, die Bestandteil des Weltkulturerbes sind. Man kann also auch ein wenig Kultur erleben, wenn man sich auf den Stadtberg begibt. Viel ist allerdings nicht übrig, so entscheiden wir uns fürs direkte Weiterziehen und werden uns zum ersten Mal der reduzierten gastronomischen Möglichkeiten während des Ramadan bewusst. Wir kaufen schnell im Sok Supermarkt das Nötigste ein und machen uns auf den weiteren Weg, über Çavdir nach Cayköy.
Nach Çavdir beginnt eigentlich erst die schöne Etappe, auf der Sören aber schlapp macht. Nicht so schlapp, dass er nicht erst einmal eine Schildkröte vor dem herannahenden LKW retten kann. Mutig hält er die Hand hoch und stoppt den potenziellen Todeslaster, um dann die fauchende Schildkröte anzuheben und in einen grünen Garten zu tragen. Karmapunkte +100.
Anschließend wandern wir vor allem in und auf einem alten Aquädukt entlang, welches früher die Städte in der Ebene mit Frischwasser aus den Bergen versorgt hat. Nach den letzten Kilometern passieren wir auch einen Campspot neben einer wasserführenden Rinne, welche sofort zum Innehalten und Trinken einlädt. Mit der Tasse in der Hand werden wir von Mehmet, dem Bauleiter begrüßt, welcher dort auf dem Grundstück bereits die zweite Villa für Touristen errichtet und uns einlädt, auf dem Grundstück zu zelten. Aber wir wollen weiter. So schlagen wir das Angebot aus, verlieren auf den folgenden Metern jedoch den Weg aus den Augen, sodass wir in einer Sackgasse namens Schlucht enden. Es ist auch schon 18:00 Uhr und die Lichtverhältnisse beginnen, sich zu verschlechtern. Was also tun? Genau! Wir gehen zurück zu Mehmet und nehmen sein Angebot an. Ebenso die Einladung zum Tee. Lisa bekommt noch voller Stolz die Häuser gezeigt und Söri kümmert sich ums Essen. Schlafenszeit.
Etappe 6 – Die Hundehorden von Akbel
Länge: 15 Kilometer
Start: Mehmets Baugrundstück
Ende: Aufstieg bei Kalkan
Dauer: ca. 6 Stunden
Wir wachen 7:30 Uhr vom Rauschen der „Levada“ auf, brauchen aber noch bis fast um 10:00 Uhr, um uns fertig zu machen und endlich aufzubrechen. Ist einfach irgendwie gemütlich hier. Wir verabschieden uns noch von Mehmet und seiner Baukolonne, bevor wir uns zum zweiten Mal auf den Wanderweg begeben, der uns laut Outdooractive durch das anschließende Tal führen soll. Abgestiegen sind wir, aber der Weg ist nicht da. Das haben wir auch schon öfter in Madeira festgestellt. Manche Wege scheinen nur in der App zu existieren, oder eben einfach nicht mehr aktuell zu sein.
Frustriert machen wir uns wieder an den Aufstieg durch das fiese Gestrüpp und folgen der wasserführenden Levada und den etwas irritierenden Zeichen auf dem Weg (mal rot-weiß, dann wieder ein rotes x), um letztendlich doch auf der anderen Seite des Tals zu landen. Auf geht es durch einen kleinen Wald, vorbei an einem dem Bauboom unterworfeneren Landstrich, in welchem lauter Villen aus dem Boden gestampft werden, was wiederum die Wanderrouten verändert und oftmals in einer mangelnden Ausschilderung endet. Zum Glück gibt es immer noch einen ausreichenden Altbestand an Häusern, die zum einen über richtige Markierungen und zum anderen idyllisch mit Wein überhangene Schattenplätze und schöne Gärten verfügen.
In Akbel bekommen wir es dann auch zum ersten Mal mit einer gefährlichen Straßenkötergang zu tun. Sonst waren alle Hunde immer gechillt, hier aber nicht. Wir laufen eine Straße entlang und zu dem ersten keifenden und uns verfolgenden Hund gesellen sich bald drei weitere. An einer Kreuzung sehen wir uns von diesen dann umringt, die Lefzen entblößt und in wildem Bellen auf uns zusteuern. Ein LKW Fahrer macht dem den Gar aus und hupt laut, was die Hunde erstmal auseinander treibt und uns den Weg öffnet – leider den falschen. Nach fünf Minuten merken wir, dass wir zurück müssen. Langsam und voller Unbehagen nähern wir uns dem Ort der Gefahr, können uns fast vorbeischleichen, bis der Alpha-Agrohund wieder auf uns zugerannt kommt. Doch diesmal sind wir vorbereitet. Ich hatte aufgepasst und die Idee, dass wir einfach so fest, wie wir können in unsere Signalpfeifen der Rücksäcke pusten. Das wirk. Laut pfeifend bahnen wir uns den Weg vorbei an dem still gewordenen Hund, der jetzt mit gesenktem Kopf eingezogenem Schwanz das Feld räumt. Haha – menschliche Intelligenz rulz.
Weiter geht es dann durch Kalkan und an der Hauptstraße entlang, um bei der Moschee den Aufstieg in ruhigere Gegenden zu nehmen. Auf der Hälfte des Berges gibt es ein verlassenes Haus mit Brunnen und Campingspot. Den nehmenden wir und sitzen in der Abendsonne am Steilhang und schauen auf das Meer, den Strand von Patara und das unter uns liegende Tomatental.
Etappe 7 – Obelix und die Wildschweine
Länge: 13 Kilometer
Start: Aufstieg bei Kalkan
Ende: Märchenhaftes Plateau 3 Km nach Sanbelen
Dauer: ca. 6 Stunden
Nach der Meisterung des zweiten Aufstiegteils gelangt man auf eine kleine Hochebene, um anschließend auf eine zweite riesige Hochebene zu blicken, in welcher das Dorf Bezirgan liegt (auf 800 Metern). Vorbei geht man an kleinen Holzhütten, von denen wir mutmaßen, dass sie der Lagerung der Ernte und landwirtschaftlichen Geräte dienen. Empfangen wird man in Bezirgen mit einem Brunnen und tollen Holzbauumrundungen, die man für die Rast im Schatten nutzen kann. Das machen übrigens auch die Dorfbewohner. Nach Auskunft uns entgegenkommender Wanderer, und das können wir verifizieren, sollte man sich im kleinen Dorfladen bei der Moschee mit dem Wichtigsten eindecken. Die nächsten zwei Tage, oder gar bis Kas, wird man seine Vorräte nicht aufstocken können. So kaufen wir noch zwei Tütensuppen und Ekmek (Brot), Piliç Salam (durchgeleitete Fleischwurst) sowie EIER. Was für ein Fest. Es gibt Abwechslung und wir nehmen uns vor, die gepolstert transportierten runden Dinger am Abend in ein tolles Omelette zu verwandeln. Wenn man in Bezirgan übernachten möchte, kann man dies auch in der einzigen Pension im Ort tun.
Wir wandern weiter, zuerst aus dem Dorf heraus, dann an einer neugebauten Straße entlang, bis unser Weg vorerst an einer Art chinesischen Mauer endet. Wir wenden uns den Wegzeichen folgend nach rechts und steigen den Berg weiter empor. Wo es hinaufgeht, geht es alsbald auch wieder hinab. Laut Wegzeichen wenden wir uns nach links, um einen schwierigen, total sinnlosen Abstieg nach Sanbelen zu machen. Wir verlieren die Wegzeichen, straucheln über Felsboden und rutschen schlechte Wege entlang. Im Tal angekommen schauen wir uns den Straßenverlauf an und stehen wie doof da, dass wir diese nicht genommen habe, denn die Straße stellt kaum ein Umweg dar und wäre in jedem Fall besser zu gehen. Selbst in Senbelen angekommen, führen die wenig und schwer zu findenden Wegzeichen kreuz und quer durch die Wiesen, Felder und Häuser. Am Besten man bleibt auf der Straße bis zur Moschee und folgt dann weiter dem Weg.
Nach unseren Irrwegen kommen wir auch an der Moschee an und gehen weiter an der Moonlight Pension vorbei, immer auf einer Schottertraße entlang, bis wir nach ca. 3 Kilometern auf ein Wiesenplateau treffen, auf welchen schon viele fleißige Hände vor uns die Steine beiseite geräumt und ein malerisches Ambiente geschafft haben. Eine Zisterne mit gutem Wasser gibt es obendrein.
Vorher gilt es jedoch, an einer Ziegenherde vorbeizukommen, wobei die Ziegen nicht unser eigentliches Problem sind. Mit Hunden haben wir ja schon unsere Erfahrungen gemacht und suchen sofort den Blick des Hirten, als ein sörengroßer Hirtenhund (ok, seien wir ehrlich, sörengroß wäre er nur gewesen, wenn er sich auf die Hinterläufe gestellt hätte, aber wer will das schon ausprobieren?) auf uns zukommt. Wir bleiben stehen, denn mit dem will man sich nicht anlegen. Langsam bewegen wir uns an der Herde vorbei und lehnen uns aus Platzmangel an den Berg hinter uns. Der Hirtenhund, friedlich, doch aufmerksam, immer zwei Meter zwischen uns und den Ziegen. Für uns steht fest: komme niemals zwischen die Ziegen und den Hund, also nie durch eine Ziegenherde durchgehen. Am Ende lässt er uns passieren, nachdem er einmal auf mich zugeht und kaum einen Meter vor mir steht und mich anschaut.
Alles hat sich beruhigt und wir schlagen unser Zelt auf, liegen in der Sonne und waschen uns. Anschließend gibt es das Festmahl aus Tomatenvorsuppe, Eieromelette mit angebratenem Knoblauch und gebratenen Wurststücken. Lecker.
Wir wollen uns schon zur Ruhe begeben, als ein Toyota Hillux, der schon zwei mal an uns vorbeigefahren kam, diesmal bei uns am Zelt anhält. Zwei Männer steigen aus und wir befürchten schon, dass wir den Platz räumen und zu später Stunde eine neue Location finden müssen. Stattdessen jedoch halten uns die Männer ein Handy mit vorbereitetem Translate Text vor: „Ich möchte Sie informieren, dass wir heute Abend ab 22:00 Uhr, eine Wildschweinjagd durchführen. Bitte gehen Sie nicht aus dem Zelt.“ Hhhhuuu, etwas mulmig ist einem da schon zumute, aber wir sind auch zu geschafft, um uns weiter umzusehen und beschließen, einfach vorher schlafen zu gehen (ab 9 ist es eh ziemlich kalt und ungemütlich draußen – und heute auch im Schlafsack, wie wir leider feststellen müssen). „Zum Glück“ ist es sehr stürmisch und der Wind peitscht so laut durch unser Zelt, dass ich nur zwei oder drei Schüsse höre. Ob etwas erlegt wurde, wissen wir nicht. Wir haben uns aber schon gefragt, was denn aus den Wildschweinen wird, da Schwein ja im Islam nicht gegessen wird. Naja, in der stürmisch, kalten und schlaflosen Nacht haben wir das nicht lösen können.
Etappe 8 – Friedhof der Wildschweine
Länge: 23 Kilometer
Start: Märchenhaftes Plateau 3 Km nach Sanbelen
Ende: Obstwiese vor den Ruinen von Phellos
Dauer: ca. 9 Stunden
Früh aufgestanden und noch schnell die Frischwasservorräte auffüllen, um möglichst vor der potenziell wieder herauf getriebenen Ziegenherde verschwinden zu können, geht es 8:30 Uhr los. Wer will schon mitten in einer solchen Herde aufwachen und beim Öffnen der Zelttür von einem riesigen Hirtenhund angeschaut werden?
So wandern wir zuerst nach Gökceören, um dann auf der Dorfstraße Richtung Osten durch das lange, grüne, besiedelte Tal zu wandern, über Wiesen, durch Nadelwälder und anschließend an einem Bach entlang zu einer kleinen Raststätte. Auch hier lohnt es sich, das Wasser aufzufüllen, um dann entweder im folgenden Tal bei der verlassenen Hütte zu zelten und am nächsten Tag den Aufstieg auf wieder 800 Meter zu wagen, oder wie wir, diesen, an die eher leichte Etappe gleich dranzuhängen. Das Tal mit seinem plätschernden, glasklaren Bächlein jedenfalls lädt zum Verweilen ein.
Kaum ein paar hundert Meter gewandert, hält Sören Lisa voller Schreck an, um auf ein vor uns liegendes Wildschwein aufmerksam zu machen. Shit, wenn das jetzt aufsteht und sich uns vornimmt… Ok, auf den zweiten Blick sieht es schon merkwürdig steif aus, aber wer weiß schon, wie Wildschweine schlafen? Also lautet die Devise Abstand nehmen und langsam daran vorbeigehen. Nach ein paar Metern sagt ich zu Lisa nur: „Alles gut, da fehlt der Kopf!“. Somit sind wir sicher und haben gleichzeitig das Rätsel um die Wildschweinjagd gelüftet. Die Köpfe werden scheinbar als Trophäe mitgenommen, während man die Wildschweinkörper einfach liegen lässt.
Über steinige Pfade geht es nun wieder nach oben, auf knapp 1.000 Meter. Von hier schaut man zwischen den Bergköpfen hindurch auf Flächen voller Kieselsteine für Riesen. Die Kieselsteine, die von Riesenhand auf die Wiesen gestreut wurden, sind aber auch auf deren Dimension angepasst, eben mindestens faustgroß. Hier hätte man schon sehr viel zu tun, um die Flächen von Steinen zu befreien. Wir laufen hindurch, nähern uns einem alten, verlassenen Schäferhaus und der angrenzenden Zisterne. Hier kann man auch wieder Zelten und hat Frischwasser inklusive. Nach einem kurzen Stop geht es weiter. Wir haben wieder einige Schwierigkeiten dem Weg und den Zeichen zu folgen, da diese fast schon von den am Pfad wachsenden Büschen überwuchert sind. Mit Outdooractive und einigem Suchen klappt es allerdings. Wir passieren einen weiteren super Campingspot, diesmal auf einer abfallenden Wiese mit Blick ins Tal und einer Quelle. Wir empfehlen hier zu bleiben, auch wenn die Explorer noch vier Kilometer weiter und dem Forstweg folgend bergab, bis wir zu einer grünen, mit alten Obstbäumen bewachsenen Wiese kommen. Nach den vorherigen stürmischen Übernachtungen ist es hier nahezu windstill und die einzigen Geräusche kommen von einer grasenden Schildkröte und den Bienen, die in den Blüten der Erdbeerbäume herumschwirren.
Da wir nur unsere dünnen La Fuma 600 Schlafsäcke dabei haben und die Temperaturen hier oben unter 10 °C sinken, bastle ich nach den durchfrorenen letzten beiden Nächsten aus all unseren Klamotten eine Decke. Zum Einsatz kommen alle Shirts, die wir dabeihaben, indem ich sie an den Armen zusammenbinde. Außerdem bekommt jeder von uns einen Fußsack aus Jacken oder Funktionsshirts (Das hilft echt. Einfach die Füße mit dem Schlafsack in ein solches Utensil stecken und die Füße bleiben warm). Nach dem obligatorischen Tee und Nudeln mit Thunfisch geht es geschafft ins Bett und mit Vorfreude auf unser Hotel in Kas mit Pool.
Etappe 9 – Phellos und Antiphellos – Zwei Seiten einer Medaille
Länge: 13 Kilometer
Start: Obstwiese vor den Ruinen von Phellos
Ende: Kas / Antiphellos
Dauer: ca. 5 Stunden
Da wir noch fünf Kilometer bis ins nächste Dorf haben, entschließen wir uns bei den schon heißen Temperaturen aufs Frühstück zu verzichten, bei welchem wir ja nur Wasser verbrauchen würden. Es geht also gleich um 8:30 Uhr los. Nach ein paar Kilometern finden wir das erste Highlight der Etappe auf dem Bergkamm oberhalb von Kas: Phellos. Phellos war eine Lykische Stadt, die sich auf dem 200 Meter langen Bergkamm erstreckte und von welcher heute leider nur noch die Ruinen und einige Erklärungstafeln zeugen.
Die Blütezeit soll wohl im 700 Jh. v. Chr. gewesen sein, als von hier oben der gesamte Landstrich kontrolliert wurde. Nun stehen noch ein paar Gräber und Mauerreste, die sich aber langsam der Natur unterordnen müssen. Reich wurde Phellos unter anderem durch den Verkauf von Zedernholz, insbesondere durch die Verschiffung der Waren am Hafen unterhalb des Berges. Von 800 Metern also quasi auf Null. Denn dort befindet sich Antiphellos. Ich schlußfolgere mal, dass der Namensgegenpol von Phellos, also Antiphellos, zustande kam, weil das Gegenteil von hoch oben liegend eben unten liegend ist. Aber das sind nur meine kruden Gedanken. Wir besichtigen die Ruinen noch etwas und gelangen in der Mittagssonne nach Pinarbasi.
Hier ruhen wir uns am „Kamelbrunnen“, direkt bei der Moschee aus, füllen unsere Wasservorräte auf und holen unser Frühstück mit Keksen nach. Dummerweise ist Ramadan und wir sitzen im Schatten, jedoch am Fuße der Moschee. Ein etwas älter Herr versucht uns auf Türkisch wohl zu erklären, dass wir hier nichts essen dürfen. Wir verstehen das auch mehr oder weniger, aber es ist ja nun leider passiert. Ok, wir hören uns noch sein Gezeter an, obwohl auch er erkennen sollte, dass wir kein Wort verstehen.
Auf geht es weiter über den Lykischen Weg, die nächste, roterdige Ebene und eine Bergflanke. An deren Ende haben wir den ersten Blick auf Kas, das Mittelmeer und Griechenland in Form der Insel Kastellorizo (fünf Kilometer entfernt). Davor erkennen wir schon im Hafen von Kas ein türkisches Kriegsschiff und erinnern uns an die Spannungen zwischen beiden Nationen. Kurz Mittagessen, damit uns diesmal beim Ramadan keiner sieht und dann geht es die letzen Meter steil bergab bis zu unserem Hotel „Luna-Elea-Kas“.
Wir können es kaum erwarten, in unser Zimmer zu kommen. Als erstes ziehen wir unsere Stinkeklamotten aus und gehen duschen. Woahhh geil. Dann trinken wir frisches Wasser aus dem Hahn bis wir nicht mehr können. Yeahhh. Wir probieren das weiche Bett aus. Göttlich. Wir genießen einfach den Luxus der Zivilisation mit jeder Faser, bevor wir uns ans Wäschewaschen machen und and die Eroberung des Pools. Die endet jedoch abrupt, als Lisa, die gerade hineinspringen will, angesprochen wird, dass aufgrund von COVID-19 die Nutzung des Wassertempels nicht gestattet sei. Traurig, enttäuscht und doch verständnisvoll trollen wir uns, begeben uns aber zum westlich gelegenen, öffentlichen Strand „Halk Plajı“ (es gibt noch einen weiteren weiter östlich, der „Büyükçakıl Plajı“).
Wir lassen erstmal die Seele baumeln und sehen, wie sich unsere Zeit hier entwickelt.
Mehr zu lesen gibt es im dritten Teil der Erkundung des Lykischen Wegs durch die Explorer.