
Albanien? Ist das den sicher? – Ja, und super! (Teil 2)
06. August 2021 | Leipzig, Deutschland | Sören

Theth – Das „unerreichbare“ Dorf
Ich weiß gar nicht wie oft wir gefragt wurden, ob man denn mit dem Auto nach Theth gelangt. Ja, kann man. Jedwede andere Aussage, dass man nur mit einem 4×4 in die Siedlung kommt, ist schlichtweg überzogen beziehungsweise einfach veraltet. 80 Prouent der Straße sind asphaltiert und am Rest wird gerade noch gearbeitet. Über enge Serpentinen gelangen jedoch gleichermaßen LKWs, wie Busse und tiefergelegte Karren sicher ans Ziel. Also, keine Angst.
Am 5. Juli, einem höchst ehrenwerten Tag, erreichen wir Theth, gefühlt nicht viel mehr als eine Ansiedlung von Guesthouses und Kullas. Begrüßt werden wir mit einem breiten Flussbett voller weißer Steine, über die glasklares und auch im Hochsommer noch knackig-kaltes Wasser zackig fließt. Wenn hier die Schneeschmelze beginnt, kann man sich vorstellen, was für Wassermengen vorbeifließen. Wir begeben uns erstmal in ein Gasthaus und lassen uns zu einer Erfrischung nieder. Hier treffen wir auch unsere Freunde aus Leipzig und lassen den Vormittag vergehen. Anschließend heißt es, eine Unterkunft finden. Wir entscheiden uns für das „Guest House Gjelaj“. Das liegt schon ein gutes Stück auf dem Weg bergauf, hat einen wundervollen Ausblick, Platz zum Zelten und eine tolle Gastgeberin.
Aber wir wollen ja nicht nur hier oben bleiben, stattdessen treibt es uns nach dem 45-minütigen Weg hinauf wieder zum Ortskern in Richtung der Holzkirche, die wohl auf jedem zweiten Motiv über Theth zu sehen ist. Der Abstieg, abseits der Wege natürlich, endet im Vorgarten einer Thethin, die uns über einen verwachsenen Schleichweg nach unten, ins Zentrum schickt. Etwas Gutes hat der verwunschene Weg allerdings, wir finden unsere zwei Wanderstöcke, die uns fortan, bis nach Deutschland, begleiten sollen.
Der Teil von Theth, den wir nun erreichen, ist ganz anders als der Obere. Hier sind nicht nur Steine vorhanden, sondern es ist eher so, wie wir uns einen Ort wie Theth vorgestellt haben. Alte Häuser, Wiesen, die nicht ganz so spektakuläre Kirche und eine Kulla als Museum umgebaut. Außerdem viele Touristen und Guest Houses sowie dreiste Kinder: Als wir am Holzzaun entlangwandern, werden wir auf Englisch angesprochen. Auf „How are you?“ folgt, „Do you have sweets?“, „Do you have Chocolate?“, „Do you have money?“ – NO!
Naja, es gibt ja hier noch mehr zu erleben. Zum Einen ist da noch ein Wasserfall, der knapp 45 Minuten vom Dorfzentrum entfernt ist, und da gibt es noch ein Blue Eye, in dem man baden gehen kann. Das wird sicherlich nach den 4,5 Kilometern per pedes auch nötig sein. Alternativ kann man ja noch in einem der zwei kleinen Dorfläden einkaufen gehen.
Vlorë – Das Miami Beach Albaniens
Vor zehn Jahren noch eine Stadt, in der kein Albaner Urlaub machen wollte, ist Vlore scheinbar zur angesagtesten Strandurlaubstadt avanciert. Dabei ist der eigentliche, alte Stadtkern gar nicht so toll, aber wendet man sich nach Süden, der Lungomare zu, wird man von einer neuen Strandpromenade empfangen. Als wir dort entlang, zu unserer Unterkunft laufen, flanieren wir (wie sollte es anders sein?) an endlosen Bars und Restaurants entlang. Dabei sind die Fußwege breit, gut ausgebaut, von Palmen gesäumt und der Strand ist nur über die Straße. Die Sonne ist gerade in die letzte Phase vor den Sonnenuntergang und die Flaniermeile füllt sich mit Menschen bis zum Horizont. Vorerst geht es in unsere Unterkunft in der zweiten Reihe, von der wir nur Gutes berichten können. Was uns extrem begeistert hat, war die Gastfreundschaft von Rei. Rei hat es sich nicht nehmen lassen, jeden Abend eine kleine Runde zu drehen und jeden Gast zu fragen, ob denn alles ok ist, etwas gebraucht wird, oder einfach zum kleinen Schnack. Auch der Transport von unserer Unterkunft zum Busbahnhof und der Verhandlung mit dem Busfahrer, hat Rei übernommen. DANKE.
Aufgrund der Fülle an Lokalen, insbesondere an der Strandpromenade, fällt es uns am ersten Abend schwer, die richtige Lokalität zu finden und wir setzen uns einfach mit einem Bier in den Sand und genießen es, wie der gelbe Ball am Horizont langsam von orange nach rot wechselt und im Meer versinkt. Hinter uns ist das Nightlife voll im Gange und die albanische Stunde wird auch hier intensiv zelebriert. So können wir beobachten, wie Schiffe in den Hafen einlaufen und auslaufen, wie Menschen, auch am Abend noch in das kühle Nass springen und wie Fischer, halb im Wasser stehend, mit alten Handwurfnetzen, auf althergebrachte Art und Weise, Fische fangen wollen.
Am nächsten Morgen kaufen wir uns erstmal eine sieben Kilo Wassermelone, einfach unbeschreiblich lecker, die wir auch gleich zum Frühstück auf unserer Terrasse mit Außenküche anschneiden und gekühlt genießen. Alsbald laufen wir in die Stadt und erkunden die Einkaufsstraßen, die etwas verwaist wirken und die Plätze, welche eher im Zentrum von Vlore anzutreffen sind. Wir sind jedoch immer darauf bedacht, uns über Mittag und den frühen Nachmittag ein schattiges Plätzchen zu suchen, denn es ist unglaublich heiß. So versuchen wir hier ein Kleidchen für Lisa zu finden, denn der Wunsch ist groß, eben auch mal bei der albanischen Stunde in schönen Kleidern auflaufen zu können, statt in den inzwischen echt bollerigen und immer gleichen Traveler-Klamotten. Dumm, dass es hier nur kleine Lädchen gibt, die scheinbar Restposten aus der Türkei etc. aufkaufen und neben keiner großen Auswahl eben auch nicht alle Größen vorrätig haben. Ein Einkaufsbummel wird hier doch sehr schnell langweilig. Aber, genau, wozu hat man denn den Strand. An diesem verbringen wir wieder den Abend und suchen uns eine andere Bar am „Malecón“ von Vlore aus. Übrigens, ausgefallene Cocktails sollte man nicht erwarten, auch wenn hier viele Bars wie DIE Cocktailbars aussehen.
Am nächsten Morgen gehen wir gleich früh zu einem Mopedverleih und mieten uns einen Scooter für einen Tag (20€). Damit machen wir Vlore unsicher und fahren zu abgelegeneren Orten. Auf unserer Liste steht neben dem renovierten „St Mary’s Monastery“ (auf einer Insel gelegen und früher die Grenze zwischen osmanischem Einflussgebiet und christlicher Welt) der verlassene Strand „Zvernec Beach“. Wenn wir mit einem Camper da wären, wäre dies ein toller Ort, um direkt am Strand und mit dem Mittelmeer, keine zehn Meter entfernt, zu bleiben. Leider gibt es aber keine Schattenmöglichkeiten und so treibt es uns nach ein paar Badegängen im klaren Wasser wieder zurück. Wir fahren noch ein paar Kilometer und lassen uns dann am nördlichen Rand des „Narta Beach“ nieder. Hier sind zwar die Strände auch mit Liegen und Strandschirmen im Meterabstand überfüllt, aber am Rand gibt es ein paar beschattete Abschnitte, die wir uns für unseren Nachmittag aussuchen.
Am nächsten Tag geht es für uns weiter in den Süden von Vlore. Wir haben uns bei Adri von Oazi Blue einen Tauchausflug gegönnt und düsen mit seinem Mercedes durch wunderschöne Orte, die mitunter auch zum Verweilen einladen. Unser erster Stopp ist aber Porto Palermo. Hier steht auf einer kleinen Insel eine kleine Festung von Ali Pasha, den wir noch weiter unten kennenlernen werden, gebaut und angeblich seiner Frau geschenkt worden (die ganze Anlage erinnert jedoch deutlich mehr an militärische Zwecke als dass sie Romantik versprüht, nun ja, pragmatisch veranlagt war er offenbar). Am Fuße der Festung ziehen wir unsere Neoprenanzüge an und gehen zum ersten Mal Shoretauchen, also in die Brandung hineinlaufen. Vor uns erhebt sich ein dunkler Tunnel, in welchem früher mal Kriegsschiffe untergebracht waren. Dieser Tunnel ist aber nicht unser in Ziel. Wir wollen uns am Boden des alten Hafens umsehen, Fische und vielleicht ein paar alte Amphoren sehen. Die ganze Region ist gut erhalten und noch nicht mit Hotels bebaut, da hier früher ein Militärstützpunkt war. Wir genießen das Fisch- und Lichtspektakel in den verschiedenen Wärmeschichten des Wassers um uns. Außerdem tauchen wir in eine kleine Höhle, die mit der Zisterne in Ali Paschas Festung verbunden scheint und sehen dort unseren ersten Scorpionfisch.
In der Pause werden wir von Adri auf eine persönliche geschichtstour durch die Festung eingeladen und machen uns anschließend weiter zum Tauchen in den Gewässern vor einem Luxusresort in der Nähe des „Gjipe Beach“. Hier ist alles auf dem modernsten Stand, reichlich stylisch und der Service sicherlich gut. Muss er ja auch sein, wenn eine Nacht über 400 € kostet, ein Bier 8 € und der Schampus in Magnumflaschen zu je 1.000 € ausgeschüttet wird. Und ausgeschüttet wird hier einiges, erzählen uns Adris Tauchlehrer, die dort eine Station haben. Da werden schonmal zehn Kisten Coronabier bestellt und dann nicht getrunken, sondern ebenso wie die Champagnerflaschen einfach als Spritzutensilien genutzt. Man will ja zeigen, was man hat, wenn eine Strandliege für den Tag schon 50 € kostet und eigentlich nur schöne Menschen bestaunt werden sollen und zugegebenermaßen auch können. Hier schälen wir uns aus den Klamotten und hier sind wir mal kurzzeitig die Stars, als wir mit unseren schwarzen Anzügen, Kampftauchern gleich, in den türkisblauen Wassern verschwinden und anschließend zwischen Riffs, Felsen und Fischschwärmen tauchen gehen.
Geschafft vom Tag cruisen wir wieder im Mercedes zurück nach Vlore, wo wir noch in einem Restaurant die Spezialität des Hauses essen – spießgegrilltes Lamm mit Salzkruste.
Gjirokaster – Steile Berge, italienisches Flair
In der Altstadt von Gjirokaster, ebenfalls zum UNESCO Weltkulturerbe gehörend, merken wir schnell, wie groß der italienische Einfluß hier schon sehr lange gewesen ist. Fast könnte man denken, in einer Stadt der Toskana zu sein. Die Steingebäude und die schmalen Gassen, mit rutschigen Pflastersteinen ausgekleidet sowie das Klima, bilden schon eine besondere Gesamtkomposition, der wir uns nicht entziehen können. Dennoch, wenn man den Vergleich zu Berat anstellen möchte, was wir tun, ist Berat eindeutig vorn. Aber zum Glück haben wir genug Zeit, uns beide Städte anzusehen.
Wir wandern mit unseren schweren Rucksäcken vom Busbahnhof aus die steilen Straßen bergauf zu unserem Guesthouse, einem wunderschönen Haus aus dem 19. Jahrhundert. Hier haben wir einen fantastischen Blick in das Tal und über die gesamte Stadt und befinden uns über der, genau, Festung. Das ist aber nicht das einzige Highlight. Auch im Inneren des Stone Room 1850 ist alles mit Liebe gestaltet und zumindest im oberen Gästebereich größtenteils so erhalten, wie es vermutlich einmal war. Uns begeistern die großen Zimmer, die Steinwände und die kleinen Accessoires. Außerdem gibt es hier selbstgemachten Raki und Wein. Der Raki (der hier in Albanien zum Glück wenig gemein hat mit dem türkischen viel zu stark anislastigen Schnaps und eher einem guten Obstler gleicht) ist echt gut. So gönnen wir uns eine Flasche, genießen den Geist zunächst pur, dann aber auch für unsere berühmte Poncha-Time – geschmacklich ein angenehmer Mix aus Portugal und Albanien.
Das Stone Room 1850 wird nun für die nächsten Tage unsere Homebase sein, in welcher wir viele nette Menschen kennenlernen: eine Musikerin aus Dubai, eine italienisch-französische Künstlerin, die gerade eine Ausstellung über ihren Opa aus dem 2. Weltkrieg plant und einem französisches Pärchen. Von hier aus brechen wir auf alle unsere Erkundungen auf.
Am Abend ist unser Ausflug zur Ali Pasha Brücke (Anm.: Das war ein osmanischer Herrscher, der die ganze Region verwaltete und sich gegen die osmanische Vorherrschaft auflehnte, ein eigenes Land begründete, anschließend aber den Kopf verlor), einer Steinbogenbrücke, die die Pfade und Handelswege verband. Leider erreicht man die schöne Ali Pascha Brücke nur noch, indem man Müllfelder beeindruckender Ausmaße durchquert. Auch hier ist es wohl ein Sport, den Müll in die Natur zu werfen. Aber was will man machen? Es gibt in Albanien kaum eine Müllentsorgung und Recyclinganlagen schon gar nicht. Derzeit sind zwei Müllverbrennungsanlagen in Bau. Aber es ist schon Abends und wir genießen das heile Stück Natur vor uns.
Anschließend geht es zurück. Wir haben Hunger und lassen uns zunächst auf ein, zwei Bier in der Altstadt ein. Das ist uns aber zu kommerzig und wir wagen wieder den Aufstieg in Richtung unseres Gasthauses. Auf dem Platz, auf welchem sich auch die zwei Dorfläden befinden, werden wir gleich auf zwei Tavernen aufmerksam und entscheiden uns absolut richtig für die „Taverna Tradicionale“ (4,9 Sterne von über 800 Bewertungen, Hammer). Ich glaube, jeder der dort steht, entscheidet sich ähnlich. Das ist wohl auch der Grund, warum eine Taverne leer ist bis auf die grimmig dreinschauenden Gastwirte davor und die andere lebhaft, gastfreundlich und einfach mjammiii. Wir sind ab sofort jeden Tag hier. Wir werden herzlich empfangen, es gibt Wasser und einen selbstgemachten Nelkensirup umsonst. Anschließend essen wir uns durch eine köstliche Moussaka, gegrillten Käse, einen exzellenten gemischten Salat, gefüllte Aubergine, gefüllte Paprika und Reisbällchen – alles zubereitet von einer unglaublich süßen Mutti. Wow. Ein absolutes Muss.
Am Morgen, nach einem weiteren köstlichen Melonenfrühstück, lassen wir uns auf einen Besuch der Burg ein, die in erstaunlich gutem Zustand ist. Dies liegt vielleicht auch daran, dass die Festungsanlage auch noch während der sozialistischen Zeit als Gefängnis genutzt wurde. Ein Besuch lohnt sich jedoch, denn die Burg von Gjirokaster hat eine bewegte Geschichte, begeistert durch tolle Ausblicke, einen wunderschönen Uhrenturm und eine schönen Geschichte, wie ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug nach Albanien kam. Wir machen Mittagspause in unserer Homebase, bevor wir wieder die Stadt unsicher machen und in unsere Stammtaverne, in der wir nun schon bekannt sind und immer mehr Gäste anziehen, unsere abendliche Schlemmerpackung genießen.
Am letzten Tag beschließen, wir einen längeren Ausflug zu machen. Es geht zum Blue Eye, oder auch „Syri i Kaltër“, dem Highlight eines angeblich jeden südlichen Albanienurlaubs. Wir brechen früh auf, denn wir haben schon gehört, dass es ab 10 Uhr absolut überlaufen sein soll. Dies stellt sich auch als richtig heraus. Wir nehmen den Bus, Abfahrt an der Busstation im Kreisel an der Tankstelle, um Richtung Saranda aufzubrechen. Nach einer kurzen Unterhaltung mit unserem Busfahrer, lässt der uns auch direkt, nach knapp 45 Minuten Fahrt, an der Abfahrt raus. Wir wandern einen staubigen Weg entlang, zahlen Eintritt und sind wahrlich nicht begeistert. Alles wirkt trist, staubig und eher wie die Zufahrtstraße zu einem Bergwerk. Nach ca. 20 Minuten erreichen wir aber doch das Blue Eye. Ja, wir hatten uns mehr darunter vorgestellt, aber wenn man sich auf eine 50×50 Meter große Sichtfläche beschränkt, ist es schon überraschend schön – türkisblaues Wasser in den unterschiedlichsten Schattierungen, in deren Mitte sich ein dunkelblaues Loch auftut, aus dem kaltes Wasser nach oben gedrückt wird und dessen Tiefe noch nicht bekannt ist. Ein bisschen wie das kalte Auge eines schönen Meeresbewohners. Ich beschließe in dem Auge schwimmen zu gehen und habe nach einem kurzen Moment meine orange Badehose an. Man soll mich ja auch sehen können, wenn ich nicht so schnell wieder auftauche. Die Strömung ist echt stark, aber das Wasser erfrischend als kalt, was ich durch einen Köpfer am eigenen Leibe spüre. Gleich nochmal. Nach etwa einer Stunde wird es so voll, dass man schon anstehen muss, um einen Blick in das Blue Eye werfen zu können. Wir machen uns auf den Rückweg und finden alsbald jemanden, der auf unsere rausgehaltenen Daumen hin mitnimmt. Auf uns wartet ja schließlich unsere Taverne wieder, wenn auch zum letzten Mal, denn dann soll es nach Montenegro gehen.